Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Promotionsarbeitsverhältnis keine Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Unter Berufsausbildung ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind.

2. Ein Promotionsarbeitsverhältnis ist nicht als Ausbildungsverhältnis anzusehen, wenn die Regelungen des Vertrages denjenigen eines Dienstvertrages ähnlicher sind als einem Ausbildungsvertrag.

3. Auch wenn die Promotion bei Physikern in manchen Wirtschaftszweigen erwartet wird und deren Berufsaussichten verbessert, folgt daraus nicht, dass ein Promotionsarbeitsverhältnis, das sich im Rahmen eines den vollen Lebensunterhalt sicherstellenden Dienstvertrages ohne finanzielle Unterstützung der Eltern vollzieht, als Ausbildungsverhältnis anzusehen ist. Diese Einschätzung beruht auf der verfassungsrechtlichen Zielsetzung des Kindergeldes, das als Steuervergütung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der typischerweise mit Unterhaltspflichten belasteten Eltern in Ausbildung befindlicher Kinder Rechnung tragen soll.

 

Normenkette

EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.11.2003; Aktenzeichen VIII R 30/03)

BFH (Urteil vom 26.11.2003; Aktenzeichen VIII R 30/03)

 

Tenor

Der Bescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird dahingehend geändert, dass die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind … erst ab … aufgehoben wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 100 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 715,00 EUR.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Promotionsarbeitsverhältnis des … als Ausbildungsverhältnis zu qualifizieren ist.

Der Kläger ist Vater des am 09.07.1974 geborenen Sohnes …. … studierte ab 01.10.1994 an der … Universität … Physik und beendete im Monat April 2000 sein Studium. Am 18.04.2000 wurde … das Diplom mit dem akademischen Grad Diplom-Physiker verliehen. Am 30.09.2000 wurde … exmatrikuliert. In der Zeit vom 01.01. bis 31.03.2000 erzielte … Einnahmen von 1.434,00 DM.

Am 30.07.2000 teilte der Kläger der Familienkasse mit, dass sein Sohn … eine Doktorandenstelle beim … in … angetreten habe. Laut Arbeitsvertrag vom 04. Juli 2000 ist … als Doktorand zur Weiterbildung i. S. v. § 57 b Abs. 2 Nr. 1 Hochschulrahmengesetz eingestellt. Gem. § 2 des Arbeitsvertrages verpflichtet sich …, seine gesamte Arbeitskraft für die Bearbeitung des wissenschaftlichen Vorhabens zu verwenden; dies entspricht im Regelfall der wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitszeit, die für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gilt. Die Hälfte der für die Bearbeitung des wissenschaftlichen Vorhabens erbrachten Arbeitszeit gilt als Arbeitsleistung für …. Die monatliche Vergütung für die Tätigkeit betrug 50 v. H. der Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT IIa. Insgesamt erzielte … für seine Tätigkeit beim … vom 01.07. bis 31.12.2000 Einnahmen von 17.536,52 DM.

Mit Bescheid vom … hob das … die Kindergeldfestsetzung für … auf, da dessen steuerliche Einkünfte abzüglich der Werbungskostenpauschale die maßgebliche Einkunftsgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten hatten.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Er trägt vor, dass ihm für die Zeit der Dauer des Studiums seines Sohnes Kindergeld zustehe.

Mit Einspruchsentscheidung vom … wies der Beklagte den Einspruch zurück. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei ein über 18 Jahre altes Kind von einer Berücksichtigung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG ausgeschlossen, wenn es Einkünfte und Bezüge von mehr als 13.500,00 DM im Kalenderjahr 2000, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien, habe. Im Jahre 2000 habe … während des gesamten Jahres dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen für die Kindergeldgewährung erfüllt:

  • von Januar bis April 2000 sei … einem Studium nachgegangen, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG lägen somit vor.
  • Von Mai bis Juni 2000 habe er sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden. Demnach lägen die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG vor.
  • Von Juli 2000 bis einschließlich Dezember 2000 habe er sich auf die Promotion vorbereitet. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2a EStG gegeben. Die Vorbereitung auf das Doktorexamen sei regelmäßig Berufsausbildung, wenn sie im Anschluss an ein erfolgreich abgeschlossenes Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt werde (vgl. Urteil des BFH vom 09.06.1999, Az.: VI R 92/98).

Da folglic...

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