Entscheidungsstichwort (Thema)

Differenzkindergeld, vergleichbare ausländische Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Werden im Ausland Leistungen gewährt, die dem Kindergeld vergleichbar sind, ist der Kindergeldanspruch gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht vollumfänglich ausgeschlossen, sondern in Anwendung der EuGH-Urteile v. 12.6.2012 - C-611/10 und 612/10 (Abl. EU 2012, Nr. C 227, 4) um den im anderen Staat gezahlten Betrag zu kürzen.

2) Im Ausland gezahlte laufende Unterhaltszuschüsse und ein einmaliger Schulzuschuss sind dem deutschen Kindergeld nicht vergleichbar und damit bei der Ermittlung des Kindergeldanspruchs nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG §§ 63, 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AEUV Art. 45, 48; EStG § 62 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.09.2015; Aktenzeichen XI R 10/13)

BFH (Urteil vom 16.09.2015; Aktenzeichen XI R 10/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Kindergeld für den Zeitraum September 2006 bis August 2007 für das minderjährige Kind A.

Die verwitwete Klägerin ist polnische Staatsangehörige und lebt seit September 2006 in B. Nach den Angaben der Klägerin in ihrem Kindergeldantrag vom 24.08.2007 lebte ihre Tochter, die nach der Haushaltsbescheinigung der Stadt B 10.09.2007 am 20.11.2006 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, in ihrem Haushalt.

Die Klägerin war nach ihren Angaben in dem Kindergeldantrag in der Zeit vom 21.04. bis 20.07.2006 bei der polnischen Firma C, D, als Altenpflegerin beschäftigt. Der „Werdegang” der Agentur für Arbeit weist in der Zeit vom 16.10.2006 bis 01.10.2007 eine selbstständige Tätigkeit und ab dem 02.10.2007 Arbeitslosigkeit aus. Laut einer Bescheinigung des Referats für Familienleistungen des Amtes der Stadt D bezog die Klägerin in der Zeit vom 01.05.2007 bis 31.08.2007 Familienleistungen in Form von Familienbeihilfe in Höhe von 64 Zloty monatlich, Zulage für die Alleinerziehung von 170 Zloty monatlich und einen einmaligen Zuschuss für den Schulbeginn von 100 Zloty. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Unterlagen in der Kindergeldakte verwiesen.

Die Beklagte setzte zunächst mit Bescheid vom 19.12.2007 ab September 2007 Kindergeld in Höhe von monatlich 154 EUR fest (s. Bl. 16 d. KG-Akte). Für den streitgegenständlichen Zeitraum lehnte er den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld mit Bescheid vom 15.05.2008 ab (Bl. 30 d. KG-Akte). Die Ablehnung begründete die Beklagte damit, dass die Klägerin in dieser Zeit in Polen selbständig gewesen sei und daher gemäß Art. 13 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also Polen, einschlägig seien. Auch sei kein Differenzkindergeld zu gewähren. Zu diesem Sachverhalt befindet sich in der Kindergeldakte der Beklagten ein Aktenvermerk vom 27.09.2007 über ein persönliches Gespräch mit der Klägerin, in dem niedergelegt ist: „ist von Polen mit Tochter nach Deutschland gekommen, war selbständig und hat nicht genug verdient” (Bl. 29 d. KG-Akte).

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, in dem sie darlegte, dass sie noch nie in Polen selbständig gewesen sei.

Noch bevor die Beklagte eine Entscheidung über den Einspruch getroffen hatte, hat die Klägerin am 28.10.2008 die vorliegende Klage beim Sozialgericht B erhoben, mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.848 EUR für die Zeit von September 2006 bis August 2007 zu gewähren. Mit Beschluss vom 18.11.2008 hat das Sozialgericht das Verfahren an das zuständige Finanzgericht Köln verwiesen.

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte am 13.11.2008 einen als „Abhilfebescheid” bezeichneten Änderungsbescheid erlassen, in dem sie der Klägerin für den streitigen Zeitraum Kindergeld in Höhe von 82,20 EUR monatlich gewährte. Dieser Betrag berechnet sich unter Anrechnung der polnischen Familienleistungen in Höhe von insgesamt 234 Zloty monatlich (Familienbeihilfe 64 Zloty, zzgl. Zulage für Alleinerziehende 170 Zloty). Auf die Berechnung der Beklagten wird Bezug genommen (Bl. 40 d. KG-Akte).

Hierzu trägt die Klägerin vor, die Beklagte habe bei der Berechnung des Abhilfebetrages einen falschen Umrechnungskurs zu Grunde gelegt habe. Es sei der Mittelwert für den Zeitraum September 2006 bis August 2007 in Höhe von 0,25701 EUR/ Zloty anzusetzen. Demzufolge ergäben sich für 64 Zloty Familienbeihilfen ein Abzug von monatlich 16,45 EUR. Soweit die Beklagte darüber hinaus die Zulage für Alleinerziehende in Abzug gebracht habe, könne dem nicht gefolgt werden, da dieser Betrag keine berücksichtigungspflichtige polnische Familienleistung darstelle.

Die Klägerin, für die im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Zeit von September 2006 bis einschließlich August 2007 Kindergeld in Höhe von insgesamt 137,55 EUR mtl. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie trägt vor, die Klägerin falle wede...

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