Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines zuvor ergangenen Ablehnungsbescheides; Ursächlichkeit einer Behinderung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Über einen erneuten Kindergeldantrag kann nur insoweit entscheiden werden, als die vom Antrag umfassten Zeiträume nicht der Bindungswirkung eines zuvor ergangenen Ablehnungsbescheides unterfallen.

2) Auf einen erneut gestellten Antrag kann Kindergeld ab dem Monat gewährt werden, der auf den Monat folgt, in dem der Ablehnungsbescheid erlassen wurde. Bei Anfechtung dieses Ablehnungsbescheides verlängert sich der Zeitraum der Bindungswirkung nicht bis zum Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (gegen FG Düsseldorf v. 7.3.2008 -14 K 2266/06 KG, DStRE 2008, 1474).

3) Zur Frage, wann die Behinderung eines Kindes in erheblichem Umfang mitursächlich für dessen Unfähigkeit ist, sich selbst zu unterhalten.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 1 S. 2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, §§ 70, 62 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 71/10)

 

Tatbestand

Strittig ist das Kindergeld für das Kind A.

Der im Januar 1984 geborene Sohn des Klägers ist seit seiner Geburt schwerbehindert. Das Versorgungsamt B hat im Schwerbehinderten-Ausweis vom 12. März 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 festgestellt (gültig ab 22. November 2001, Bl. 204 KG-Akte).

Der Sohn erhielt von September 2001 bis August 2003 Leistungen zur beruflichen Eingliederung Behinderter nach §§ 97 ff SGB III (Lehrgangskosten und Ausbildungsgeld, Bl. 97, 134 KG-Akte) und er nahm an Förderlehrgängen der Kreishandwerkerschaft C teil (Bl. 123, 125 KG-Akte).

Ab September 2003 bis August 2007 war er bei der zuständigen Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet für eine Stelle als Gartenbauhelfer oder Verpacker (Bl. 140 KG-Akte). In dieser Zeit wurden weitere Fördermaßnahmen durchgeführt, und zwar im Januar 2004, März 2005, April bis Oktober 2005 und Dezember 2005 (Bl. 185 KG-Akte). Ihm wurde die Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte empfohlen. Er bat jedoch, hiervon abzusehen, weil er die damit einhergehende psychische Belastung im Kreise zum Teil sehr schwer geistig behinderter Menschen nicht ertragen könne (Bl. 205 KG-Akte). Nach dreimaligem Meldeversäumnis wurde er im August 2007 zunächst aus der Arbeitsvermittlungsstelle abgemeldet (Bl. 207 KG-Akte).

Der Kläger erhielt für den Sohn A Kindergeld bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres im Januar 2005 (Bl. 175 KG-Akte).

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 hatte die Beklagte (Familienkasse B – FK –) die Festsetzung des Kindergeldes ab Februar 2005 aufgehoben. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers wurde mit bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2005 zurückgewiesen (Bl. 164 KG-Akte).

Im Dezember 2006 hatte der Kläger unter Hinweis auf die Schwerbehinderung des Sohnes erneut Kindergeld beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 15. Januar 2007 (Bl. 180 KG-Akte) abgelehnt, ein dagegen gerichteter Einspruch des Klägers mit bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 (Bl. 194-197 KG-Akte) zurückgewiesen.

Am 8. April 2008 stellte der Kläger wiederum einen Antrag auf Bewilligung von Kindergeld und verwies auf den Schwerbehinderten-Ausweis des Sohnes (Bl. 198 KG-Akte). Eigene Einkünfte und Bezüge habe das Kind nicht.

Die FK lehnte dies mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 2008 erneut ab mit der Begründung, das Kind sei lediglich wegen eines Meldeversäumnisses im August 2007 bei der Arbeitsvermittlungsstelle abgemeldet worden, nicht jedoch wegen der Schwerbehinderung. Es sei davon auszugehen, dass der Sohn dem Arbeitsmarkt hätte zur Verfügung stehen können (Bl. 4,5 FG-Akte). Feststellungen zu den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes wurden nicht getroffen.

Der Kläger erhob Einspruch, begründete diesen jedoch nicht.

Die FK bat die „Reha/SB-Stelle” der zuständigen Agentur für Arbeit in D um Auskunft. Diese führte unter dem Datum des 4. Dezember 2008 aus, nach den vorhandenen Unterlagen sei das Kind in der Lage, „eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben” (Bl. 217 KG-Akte).

Als der Kläger – trotz der unterbliebenen Begründung seines Einspruchs – mit einer Untätigkeitsklage drohte, wies die FK den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2009 unter Hinweis auf diese Auskunft der „Reha/SB-Stelle” als unbegründet zurück (Bl. 6-10 FG-Akte).

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, sein Sohn sei seit der Geburt sowohl geistig als auch körperlich behindert. Die geistige Behinderung sei auf eine mangelnde Sauerstoffzufuhr während der Geburt zurückzuführen; er befinde sich auf dem geistigen Entwicklungsstand eines acht bis neunjährigen Kindes. Der körperlichen Behinderung liege ein angeborener Herzfehler zugrunde (Ventrikel-Septum-Defekt), sowie ein angeborener Irisriss (Iriskolobom) und ein alle...

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