rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung für den Verzicht auf Restpflichtteilsansprüche versus Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1) "Geltend gemacht" ist ein Pflichtteilsanspruch, wenn der Berechtigte seinen Entschluß, die Erfüllung zu verlangen, in geeigneter Weise gegenüber dem Erben bekundet hat. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen.

2) Der bloße Umstand, dass der Berechtigte sich von dem Erben für seinen Pflichtteilsanspruch abfinden läßt, reicht für die Annahme der "Geltendmachung" nicht aus, da andernfalls der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG inhaltslos wäre.

3) "Geltend gemacht" ist ein Pflichtteilsanspruch auch dann noch nicht, wenn der Berechtigte unter Hinweis auf sein Auskunftsrecht nach § 2314 BGB Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt.

 

Normenkette

ErbStG § 3 Abs. 2, 2 Nr. 4, Abs. 1, 1 Nr. 1; BGB §§ 2303, 2314, 133

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger diverse Gesellschaftsbeteiligungen sowie ein in den Niederlanden belegenes Grundstück zur Erfüllung eines geltend gemachten Restpflichtteilsanpruchs oder als Abfindung für den Verzicht auf Restpflichtteilsansprüche übertragen worden sind.

Die am 12. Juni 1995 verstorbene Ehefrau des Klägers (Erblasserin) hatte die von ihr gegründete Stiftung „X”, die später in „A” umbenannt worden ist, zu ihrer testamentarischen Alleinerbin eingesetzt. Zugunsten ihres Ehemannes – des Klägers – hatte sie ein Vermächtnis ausgesetzt. Gegenstand dieses Vermächtnisses waren ihre Kommanditbeteiligungen an der J-GmbH & Co. KG und an der T-GmbH & Co. KG.

Der Vermächtnisanspruch wurde durch notariellen Übertragungsvertrag vom 4. bzw. 7. August 1995 erfüllt.

Die Erblasserin hatte unter dem 8. Mai 1986, 21. September 1989 und 7. November 1994 Testamente errichtet. In der letztwilligen Verfügung vom 21. September 1989 hatte sie unter anderem bestimmt:

„1….meinen Anteil an der J-GmbH & Co. KG

sowie meine Darlehensansprüche an diese vererbe ich Herrn

B (= Kläger), .., wenn Herr B

auf seinen Pflichtteil, so wie er es versprochen hat, verzichtet…”

Nachdem der Beklagte den Testamentsvollstrecker und zugleich Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgefordert hatte, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben, bat dieser mit Schreiben vom 29. September 1995 um Fristverlängerung, da der Nachlass der Verstorbenen außerordentlich komplex und „zum jetzigen Zeitpunkt noch offen” sei, ob der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen werde.

Am 15. November 1995 reichte der Testamentsvollstrecker eine vorläufige Erbschaftsteuererklärung ein. Darin bezifferte er den Wert der dem Kläger vermachten Kommanditbeteiligungen mit .. DM (= anteiliger Einheitswert auf den 1.1.1994). Außerdem gab er Auszahlungen aus Lebensversicherungen i.H. von .. DM an und fügte in Klammern hinzu:

„(Pflichtteil bisher nicht geltend gemacht)”.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 1995, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, teilte der Kläger dem Testamentsvollstrecker mit, dass das zu seinen Gunsten ausgesetzte Vermächtnis bereits durch Übertragung der beiden Kommanditanteile erfüllt worden sei. Weiter heißt es in dem Schreiben:

„Mit der Maßgabe, dass der Wert der Anteile…auf meinen Pflichtteilsanspruch angerechnet wird, mache ich hiermit diesen Anspruch geltend, und zwar wie folgt:

Ich wünsche eine Übertragung der folgenden Gegenstände auf mich:

  • …….
  • …….
  • …….”

Es folgten eine Auflistung diverser Gesellschaftsbeteiligungen und eines ausländischen Grundstücks sowie der Hinweis des Klägers, dass sich sein Pflichtteilsanspruch auf eine Quote von 50 v.H. belaufe. Außerdem erklärte der Kläger „unbedingt, unbefristet und unwiderruflich” seinen „Verzicht auf die Geltendmachung weiterer Pflichtteilsansprüche” unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Testamentsvollstrecker mit seinem – des Klägers – Vorschlag einverstanden sei und ihm die genannten Vermögenswerte übertragen würden. Am 22. Dezember 1995 stimmte der Testamentsvollstrecker dem Vorschlag des Klägers zu.

Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1995 (Urkunde Nr. 1602) übertrug der Testamentsvollstrecker dem Kläger „in Erfüllung geltend gemachter Restpflichtteilsansprüche” den Geschäftsanteil der Erblasserin an der J-GmbH (Nennwert: … DM), ihren Geschäftsanteil an der T-GmbH (Nennwert: … DM) und einen Teil ihres Geschäftsanteils an der K-GmbH (Nennwert: … DM). Unter Ziffer III. des Vertrags hielten die Parteien fest, dass die Geschäftsanteilsübertragung in Höhe von … DM auf die dem Kläger zustehenden Restpflichtteilsansprüche angerechnet werde.

Mit weiterem Notarvertrag (Urkunde Nr. 1607) gleichen Datums übertrug der Kläger als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer der K-GmbH auf sich selbst als Erwerber „in teilweiser Erfüllung” der ihm zustehenden Restpflichtteilsansprüche einen Geschäftsanteil an der J-GmbH im Nennwert von … DM. Nach dem Vertragswortlaut bestand zwischen dem Kläg...

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