Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestattung der Ist-Besteuerung; Ermessensausübung

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) steht in sinngemäßer Anwendung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG auch Unternehmern offen, die von vornherein nicht zur Buchführung verpflichtet sind.

2.) Zu den erforderlichen Ermessenserwägungen der Finanzverwaltung bei der Entscheidung über einen Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung.

 

Normenkette

AO § 5; UStG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen V R 38/08)

 

Tatbestand

Der Geschäftszweck der klagenden GbR ist die Vermietung eines Hotelkomplexes in F. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2001 gestattete der Beklagte ihr für die Jahre 1997 und 1998 die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 Abs. 1 UStG (Ist-Besteuerung) und wies zugleich darauf hin, dass dies für 1999 nicht mehr gelten könne, da sie im Jahre 1998 die Umsatzgrenze des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG überschritten habe. Die Klägerin meldete gleichwohl auch in den Jahren 1999 bis 2002 die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten an. Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000, wobei er statt der erklärten Ist-Besteuerung die Soll-Besteuerung (nach vereinbarten Entgelten) durchführte. Ebenso verfuhr er mit Bescheid vom 07.11.2003 mit der Umsatzsteuer für 2001. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein mit der Begründung, wenn nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG schon buchführungspflichtigen, aber nach § 148 AO von dieser Pflicht befreiten Unternehmen die Ist-Besteuerung zugute kommen könne, so müsse dies für sie als von vornherein nichtbuch-führungspflichtigem Unternehmen erst recht gelten. Hilfsweise stellte sie den Antrag auf Erleichterung nach § 148 AO.

Der Beklagte lehnte den Antrag nach § 148 AO ab und wies mit Einspruchsentscheidungen vom 19. Juli 2004 die Einsprüche der Klägerin gegen diese Ablehnung und gegen die Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre 1999 bis 2001 in dem vorliegend streitigen Punkt der Soll-Besteuerung ab. Die Voraussetzungen der Gestattung nach § 20 Abs. 1 UStG seien nicht erfüllt. Eine Befreiung gem. § 148 sei nicht möglich, da die Klägerin von vornherein nicht buchführungspflichtig sei.

Mit ihrer Klage vom 20. August 2004 hiergegen wiederholt und vertieft die Klägerin die Argumente des Einspruchsverfahrens. Der Sinn von § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG müsse auch ihr die Möglichkeit der Ist-Besteuerung eröffnen, zumal sie eine Befreiung von Aufzeichnungspflichten schon deshalb gar nicht benötige, weil sie bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung ohnehin nicht auf die Aufzeichnung offener und beglichener Miet- und Pachtforderungen verzichten können.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19. Juli 2004 für die Jahre 1999 bis 2001 aufzuheben und den Beklagten anzuweisen, die Umsatzbesteuerung ab dem Jahre 1999 nach vereinnahmten Entgelten festzusetzen,

hilfsweise den Bescheid vom 22.Juli.2003 wegen Bewilligung nach § 148 AO in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten anzuweisen, die Bewilligung gem. § 148 AO zu erteilen und die Umsatzbesteuerung ab dem Jahre 1999 nach vereinnahmten Entgelten festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Auch er wiederholt und vertieft die Argumente seiner Einspruchsentscheidungen. Auf Nachfrage des Gerichtes erklärt er zusätzlich: Wäre ein Ermessen gem. § 20 Abs. 1 UStG eröffnet, so würde auch das langjährige rechtswidrige Verhalten der Klägerin, nämlich entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten eigenmächtig Ist-Versteuerung zu erklären, einer Rechtfertigung durch nachträgliche Gestattung entgegenstehen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Umsatzsteuerakte des Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

Die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19. Juli 2004 sowie die darin mitgeregelte Ablehnung der Gestattung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 UStG sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als sie nicht auf der gebotenen Ermessensausübung über die Gestattung der Ist-Besteuerung beruhen. Der Beklagte hat keine Ermessenserwägungen angestellt, weil er rechtsirrigerweise davon ausging, dass ihm ein Ermessen mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UStG nicht eröffnet sei.

I.

1. Die Möglichkeit einer Gestattung der Ist-Besteuerung ist aufgrund sinngemäßer Anwendung von § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG als eröffnet anzusehen. Zwar sieht diese Vorschrift ihrem unmittelbaren Wortlaut nach diese Möglichkeit nur für den Unternehmer vor, „der von der Verpflichtung Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der AO befreit ist”. Sinngemäß muss diese Vorschrift jedo...

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