Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterscheidung zwischen Eigen- und Vermittlungsgeschäft; Doppelbelastungskonstellation i.S.d. § 4 Nr. 9 a UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Unterschied zwischen Eigen- und Vermittlungsgeschäft besteht darin, dass der Eigenhändler seine Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringt. Der Vermittler handelt dagegen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Im Streitfall erbrachte die Stpfl. Vermittlungsleistungen aus Grundstücksverkäufen. Die vorgelegten Grundstückskaufverträge belegen, dass die Stpfl. die Grundstückveräußerungen zwischen den jeweiligen Eigentümern und Erwerbern vermittelt. Diese Grundstückskaufverträge kommen in zivilrechtlicher Hinsicht unmittelbar zwischen Eigentümer und Erwerber zustande.

2. Das die Stpfl. im Streitfall in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht als sog. atypische Maklerin anzusehen ist, steht der umsatzsteuerrechtlichen Bewertung der Leistungsbeziehungen nicht entgegen, da es hierbei entscheidend auf die zivilrechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten ankommt.

3. Eine Anwendung des § 4 Nr. 9 a UStG kommt nicht in Betracht, da die Stpfl. durch ihre Vermittlungsleistungen keine grundstücksbezogenen Ausgangsumsätze erbringt, bei denen die Gefahr besteht, dass sie einer Doppelbelastung durch Grunderwerb- und Umsatzsteuer unterliegen.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 9, § 4 Nr. 9 a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.09.2015; Aktenzeichen V R 41/14)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob von der Klägerin erbrachte Vermittlungsleistungen als gemäß § 4 Nr. 9 a UStG umsatzsteuerfrei zu behandeln sind.

Die Klägerin verpflichtete sich aufgrund privatschriftlicher Verträge mit verschiedenen Grundstückseigentümern – dabei handelte es sich überwiegend um Unternehmen – in deren Namen deren Grundbesitz – dabei handelte es sich nahezu ausschließlich um Eigentumswohnungen – zu einem Mindestverkaufspreis zu veräußern. Über den Mindestverkaufspreis hinausgehende Verkaufspreiserlöse sollten der Klägerin als „Vertriebsentgelt” zustehen.

In diesen Verträgen wurden der Klägerin überwiegend ein alleiniges Verkaufsrecht und eine unwiderrufliche Verkaufsvollmacht – in den weitaus meisten Fällen unbefristet -eingeräumt. In zwei Fällen verpflichtete sich die Klägerin für den Fall, dass ihr die Veräußerung der Eigentumswohnungen nicht binnen einer bestimmten Frist gelingen sollte, die betreffenden Eigentumswohnungen selbst zum Mindestkaufpreis zu erwerben. Die Verträge enthielten teilweise den Hinweis, die Klägerin erhalte eine unwiderrufliche Verkaufsvollmacht, damit sie so wie ein Eigentümer gestellt werde und frei die Verkäufe tätig könne.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte der Kaufvertrag zwischen den Grundstückseigentümern und den Erwerbern unmittelbar zustande kommen. Der Kaufpreis sollte von den Erwerbern an die Grundstückseigentümer unmittelbar gezahlt werden. Die Grundstückseigentümer sollten den Mindestverkaufspreis einbehalten und den erzielten Mehrerlös als Vertriebsentgelt an die Klägerin abführen.

Auf der Grundlage dieser privatschriftlichen Vereinbarungen erteilten die Grundstückeigentümer in der überwiegenden Mehrzahl der Verträge der Klägerin oder ihrem Ehemann eine notarielle Verkaufsvollmacht. Teilweise wurden die von der Klägerin oder ihrem Ehemann abgeschlossenen notariellen Verkäufe von den Grundstückseigentümern nachträglich notariell genehmigt.

Die streitbefangenen Grundstücksgeschäfte wurden entsprechend diesen Vereinbarungen unmittelbar zwischen den jeweiligen Grundstückseigentümern und den Erwerbern abgeschlossen.

Über die von der Klägerin in den Jahren 2000 bis 2004 vermittelten ca. 70 Verkäufe von Grundstücken und Eigentumswohnungen erteilte sie den Grundstückseigentümern Rechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer, in denen das Nettoentgelt – das Vertriebsentgelt – der jeweils über den Mindestverkaufspreis hinausgehende Mehrerlös bildete. Die erbrachte Leistung wurde in den Rechnungen ausdrücklich als Vermittlungsleistung bezeichnet.

Die Vertriebsentgelte in Höhe von insgesamt 2.344.902 € (netto) meldete die Klägerin in den Jahren 2000 bis 2004 als steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz beim Beklagten an.

In Anbetracht der der Klägerin erteilten Verkaufsvollmachten sowie des ihr zustehenden Mehrerlöses unterwarfen der Beklagte sowie die Grunderwerbsteuerstellen anderer Finanzämter die vereinbarten Mindestverkaufspreise in einer Vielzahl der Fälle der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG und erließen entsprechende Grunderwerbsteuerbescheide gegenüber der Klägerin. Hiergegen wandte sich die Klägerin. Dabei wurde vom Finanzgericht Köln u.a. im Verfahren 5 K 1957/06 am 24.11.2008 entschieden, dass das Finanzamt gegenüber der Klägerin zu Recht Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 2 GrEStG festgesetzt habe. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils – abgelegt in der Umsatzsteuerakte des Beklagten – wird Bezug genommen.

Im Streitjahr 2006 berichtigte die Klägerin gegenüber ihren Kunden die Rechnungen über die genannte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge