Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme eines zahlungsunfähigen Bürgen als nachträgliche Anschaffungskosten seiner wesentlichen Beteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ist nach bilanzrechtlichen Regeln zu ermitteln. Daher erhöht die von einem Gesellschafter eingegangene Bürgschaftsverpflichtung die Anschaffungskosten seiner Beteiligung jedenfalls dann unabhängig von seiner tatsächlichen Zahlungsfähigkeit, wenn der Bürgschaftsgläubiger die Durchsetzung seiner Forderung ernsthaft betreibt und hieran auch nicht aus Rechtsgründen – etwa durch Verjährung – gehindert ist.

 

Normenkette

EStG 1981 § 17 Abs. 1; EStG 1983 § 17 Abs. 1; EStG 1981 § 17 Abs. 4 S. 1; EStG 1983 § 17 Abs. 4 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.04.1998; Aktenzeichen VIII R 21/94)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Berechnung eines Auflösungsverlustes im Sinne des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Bürgschaftsverpflichtung des Klägers zu berücksichtigen ist.

Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre (1982-1984) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Bei den Veranlagungen wurden die Einkünfte der Kläger – ebenso wie bereits im Vorjahr (1981) – weitestgehend im Wege der Schätzung ermittelt. Die auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheide weisen für die Jahre 1981 bis 1994 folgende Gesamtbeträge der Einkünfte (GdE) auf:

Veranlagungszeitraum

GdE (DM)

1981:

18.356,–

1982:

30.000,–

1983:

20.000,–

1984:

51.250,–

In diesen Beträgen nicht berücksichtigt ist ein von den Klägern geltend gemachter Verlust im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, mit dem es folgende Bewandtnis hat:

Die Kläger waren seit 1980 alleinige Gesellschafter der … GmbH (nachfolgend: GmbH), für deren Geschäftsanteile sie ihrem Vortrag zufolge 20.000,– DM bezahlt haben. Geschäftsführer der GmbH war allein der klagende Ehemann. Dieser hat, nachdem die GmbH bereits seit 1982 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, im Sommer 1983 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt. Der Antrag wurde mangels kostendeckender Masse abgewiesen; am 10.01.1984 wurde die GmbH daraufhin im Handelsregister gelöscht.

Bereits am 03.08.1981 hatte der Kläger gegenüber der … Aktiengesellschaft (nachfolgend: Bank) eine selbstschuldnerische Bürgschaft für alle gegen die GmbH gerichteten Ansprüche der Bank übernommen. Wegen aller diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die in den Gerichtsakten (Bl. 53 f.) befindliche Ablichtung der Bürgschaftserklärung Bezug genommen. Ein Entgelt für die Übernahme der Bürgschaftserklärung hat der Kläger von der GmbH nicht erhalten. Die Bank hat ihn, nachdem sie von der GmbH für ihre Forderung keine Befriedigung erhalten konnte, aus der Bürgschaft in Anspruch genommen; u. a. wurden auf ihre Veranlassung gegen den Kläger am 18.12.1983 ein Mahnbescheid und am 05.01.1984 ein Vollstreckungsbescheid über eine Forderung in Höhe von 430.579,07 DM zuzüglich Zinsen erlassen. Hierzu wird auf die in den Akten befindlichen Ablichtungen des Mahnbescheids (Bl. 52 FG-Akte) und des Vollstreckungsbescheids (Bl. 126 FG-Akte) verwiesen. Zahlungen auf die geltend gemachte Forderung hat die Bank in der Folgezeit nicht erhalten, da der Kläger zahlungsunfähig war und in Anspruch genommene Drittschuldner die Berechtigung der gegen sie gerichteten Forderungen bestritten haben.

Die Kläger begehren nunmehr eine Berücksichtigung der Bürgschaftsverpflichtung in der Weise, daß für das Streitjahr 1983 ein Verlust aus der Auflösung der GmbH in Höhe der gesamten Bürgschaftssumme angesetzt und der sich hieraus ergebende negative Gesamtbetrag der Einkünfte im Wege des Verlustrück- und -vortrags in den übrigen Streitjahren berücksichtigt wird. Hierzu tragen sie vor, die Übernahme der Bürgschaft durch den Kläger sei seinerzeit erforderlich gewesen, um die Kreditfähigkeit der GmbH zu erhalten. Insbesondere habe die Bank hiervon die Möglichkeit einer Kontoüberziehung abhängig gemacht. Der Kläger sei die Bürgschaftsverpflichtung mithin „nicht freiwillig” eingegangen; sein Engagement habe vielmehr ausschließlich der Rettung der finanziell angeschlagenen GmbH gedient. Hieraus folge, daß der Kläger im Jahr des Konkursantrags und des konkursabweisenden Beschlusses – also im Streitjahr 1983 – einen gemäß § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigender Auflösungsverlust in Höhe der gesamten Bürgschaftsverbindlichkeit erlitten habe. Werde dieser Verlust im Streitjahr 1983 und – im Wege des Verlustrück- und -vortrags – in den übrigen Streitjahren berücksichtigt, so ergebe sich für alle Streitjahre eine festzusetzende Einkommensteuer in Höhe von 0,– DM.

Die Kläger haben nach Klageerhebung erlassene Änderungsbescheide gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht. Sie betragen sinngemäß,

die Einkommensteuerbescheide 1982 und 1983 vom 23.08.1993 sowie den Einkommensteuerbescheid 1984 vom 28.08.1992 zu ändern und die Einkommensteuer ...

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