Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung sowie deren nachträgliche Erweiterung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Prüfung nach § 193 Abs. 1 AO darf sich grundsätzlich auch auf die persönlichen Verhältnisse des Stpfl. erstrecken, denn sie dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Stpfl.

2. Es ist möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und die des strafrechtlichen Sachverhalts.

3. Die Anwendung von § 86 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 FGO setzt voraus, dass der Verweigerung der Behörde zur Vorlage einer Urkunde die Anordnung der Vorlage durch das FG vorausgegangen ist und das FG im Zeitpunkt der Antragstellung des Beteiligten an dieser Anordnung noch festhält. Lässt das FG dagegen erkennen, dass ihm an den von der Behörde nicht vorgelegten Unterlagen nicht mehr gelegen ist, besteht für ein entsprechendes Feststellungsbegehren des beteiligten Stpfl. keine Veranlassung mehr.

 

Normenkette

FGO § 86 Abs. 1, 3 S. 1; AO § 193 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 14.04.2020; Aktenzeichen VI R 32/17)

 

Tatbestand

Streitig sind die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2003 bis 2006 und deren nachträgliche Erweiterung auf die Jahre 2002 sowie 2007 bis 2011.

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Im Prüfungszeitraum war er Gesellschafter der Prozessbevollmächtigten – einer Steuerberatungsgesellschaft – und zugleich bei dieser angestellt. Anfang 2002 übernahm er einen Zuchtbetrieb auf dem A in B, aus dem er seither Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärte. Er zog seinerzeit mit seiner Ehefrau in die zu dem A gehörende Wohnung. Den Gewinn ermittelte der Kläger durch Betriebsvermögensvergleich. Die Veranlagungen zur Umsatzsteuer und zur Einkommensteuer führte zunächst das für B zuständige Finanzamt M und ab 2011 – infolge einer Zuständigkeitsänderung bei Einzelunternehmen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft – das Finanzamt C durch.

Unter dem 29.2.2008 ersuchte das Finanzamt M das hier beklagte Prüfungsfinanzamt um Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger. Es bezog sich auf dessen Steuererklärungen für die letzten drei Veranlagungszeiträume, nämlich die Jahre 2004 bis 2006, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung unter Berücksichtigung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für 2004 i.H.v. 12.684 €, für 2005 i.H.v. 27.077 € und für 2006 in Höhe ./.24.795 € veranlagt worden waren. Das Finanzamt führte aus, dass beim Kläger die Einkunftserzielungsabsicht bzw. die Verrechnung von Verlusten mit wesentlichen nichtbetrieblichen Einkünften prüfungsbedürftig sei. Außerdem bezog sich das Finanzamt auf einen „Vermerk Steuerfahndung dass eine Betriebsprüfung angebracht wäre (s. Aktenvermerk Steufa)”. Dieses Prüfungsersuchen ist vom Beklagten erst im Klageverfahren vorgelegt worden.

Der Beklagte trägt vor, der Aktenvermerk stamme von der Steuerfahndung D und datiere vom 14.8.2003. Ihm liege die Erstattung einer Anzeige einer dritten Person zugrunde, die ausdrücklich großen Wert darauf gelegt habe, dass ihre Identität nicht preisgegeben werde. Er sehe sich aufgrund des Steuergeheimnisses daran gehindert, den Aktenvermerk dem Gericht vorzulegen. Aus ihm ergäben sich vage Hinweise, dass der Kläger in vor dem 1.7.2003 endenden Wirtschaftsjahren Kosten der privaten Lebensführung und andere möglicherweise nicht die Prozessbevollmächtigte, sondern den Zuchtbetrieb betreffende Betriebsausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung der Prozessbevollmächtigten verbucht habe. Ein Bezug zu den Vorgängen, die Gegenstand der noch anzuordnenden Betriebsprüfung beim Kläger hätten werden können, habe nicht bestanden. Deshalb sei der Vorgang nicht zur Betriebsprüfungsakte genommen worden. Ein konkreter Verdacht einer Steuerstraftat und ein Anlass für Ermittlungen der Steuerfahndung hätten ebenso wenig vorgelegen. Der Kläger bestreitet das Vorbringen mit Nichtwissen.

Bereits Anfang 2009 hatte die beim Beklagten für den Kläger zuständige Betriebsprüferin mit der Prüfungsvorbereitung begonnen. Dabei lagen jedenfalls die Steuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2006 sowie die Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 1.7.2003 bis 30.6.2007 vor. Die Steuererklärungen für 2003 waren am 15.11.2004 beim Finanzamt M abgegeben worden.

Die dem Gericht vorgelegte Betriebsprüfungshandakte des Beklagten besteht aus zwei Bänden. Die Unterlagen sind nicht durchgehend chronologisch abgeheftet und die Seiten nicht foliiert. Es befinden sich darin auch die Unterlagen über die Wirtschaftsjahre, auf die die Prüfung erst später erweitert worden ist, nämlich 1.7.2002 bis 30.6.2003 sowie 1.7.2007 bis 30.6.2011. Wann diese Unterlagen angefordert und die Steuerakten für die Jahre 2002 sowie 2007 bis 2012 beigezogen worden sind, geht aus der Betriebsprüfungshandakte nicht hervor.

In der Einkommensteuerakte des Finanzamts M für 2002 befand sich ein von dort gestelltes Prüfungsersuchen vom 1.3.2004, das an das damals ...

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