Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht von sog. Ortskräften in deutschen Botschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine deutsche Staatsangehörige, die in der deutschen Botschaft in der Karibik als sog. Ortskraft tätig ist, unterliegt in Deutschland gemäß § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht.

2) Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 EStG erfasst nicht nur aus dem anstellenden Staat "entsandte" Personen, sondern grundsätzlich auch sog. Ortskräfte, die über ihre Beschäftigung hinaus Beziehungen zum Wohnsitzstaat aufweisen.

3) § 1 Abs. 2 EStG beschränkt sich auch nicht auf Personen mit diplomatischen oder konsularischen Status, die nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen steuerrechtliche Privilegien im Beschäftigungsstaat genießen.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.12.2013; Aktenzeichen III R 20/12)

BFH (Urteil vom 18.12.2013; Aktenzeichen III R 20/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin, Kindergeld zu erhalten.

Die Klägerin, deutsche Staatsangehörige, lebt mit ihren Kindern K (geb. am …2003) und F (geb. am …2007) in der Karibik. Nachdem die Klägerin zunächst bei der Flughafenverwaltung in A tätig gewesen ist, ist sie seit November 2003 als sogenannte Ortskraft bei der Deutschen Botschaft in A beschäftigt (vgl. den in Kopie in der Kindergeldakte – KG-Akte – Bl. 11 ff. enthaltenen Arbeitsvertrag sowie die Bescheinigung der Deutschen Botschaft vom 19.03.2007, Bl. 22 der KG-Akte). Die Dienstbezüge für ihre Tätigkeit bei der Botschaft erhält die Klägerin von der Besoldungsstelle des Auswärtigen Amtes auf ihr in Deutschland geführtes Bankkonto überwiesen (vgl. § 5 des Arbeitsvertrages, Bl. 12 der KG-Akte, sowie Bl. 75 der Gerichtsakte – GA –). Das Auswärtige Amt führt von den Dienstbezügen die einbehaltene Lohnsteuer an das Finanzamt D sowie die Sozialversicherungsbeiträge an den Sozialversicherungsträger ab (vgl. Bl. 9, 23 ff. der KG-Akte sowie Bl. 21 ff. der GA).

Die Beklagte lehnte den im Februar 2007 gestellten Kindergeldantrag mit Bescheid vom 15.10.2007 (Bl. 53 der KG-Akte) mit der Begründung ab, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorlägen, da die Klägerin im Inland weder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei noch als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 15.11.2007, Bl. 55 der KG-Akte). Mit der am 18.12.2007 erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Zahlung von Kindergeld ab November 2003. Zur Begründung trägt sie vor, sie unterliege der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG mit der weiteren Folge, dass sie gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kindergeldberechtigt sei und auch ihre in der Karibik lebenden Kinder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG (Kinder leben im Haushalt eines nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Kindergeldberechtigten) bei der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen seien. Die für diesen Ausnahmetatbestand maßgebliche unbeschränkte Steuerpflicht ergebe sich daraus, dass sie, die Klägerin, lediglich die aus den vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 2004 bis 2007 ersichtlichen Bezüge erhalten habe. Weitere Einkünfte in der Karibik beziehe sie nicht (vgl. Bl. 75 der GA). Sie, die Klägerin, werde als ausländische Angestellte eines ausländischen Staates in der Karibik nicht zur Einkommensteuer herangezogen, wie sich aus dem Steuerrecht des karibischen Staates ergebe. Hierzu legte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Auszug aus dem Steuergesetz für die … sowie eine von der Klägerin gefertigten Übersetzung dieser Gesetzesvorschrift vor (Bl. 88 ff. der GA).

Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage ursprünglich Kindergeld ab … 2003 begehrt hatte (vgl. Bl. 7 der GA), hat sie ihren Klageantrag auf den Zeitraum ihrer Botschaftstätigkeit eingeschränkt und beantragt nunmehr sinngemäß (vgl. Bl. 74 der GA),

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, der Klägerin ab November 2003 für ihren Sohn K und ab Mai 2007 für ihren Sohn F Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen unter Berufung auf die Einspruchsentscheidung aus, dass eine Kindergeldberechtigung mangels einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht der Klägerin nach § 1 Abs. 2 oder 3 EStG ausscheide. Die Klägerin habe keinen Nachweis für eine entsprechende unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erbracht. Aus den vorliegenden Lohnsteuerbescheinigungen (vgl. Bl. 27 der KG-Akte) sei gerade nur ersichtlich, dass die Klägerin beschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Im Übrigen könne die Familienkasse nur dann von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ausgehen, wenn diese vom zuständigen Betriebstättenfinanzamt gemäß § 39 c Abs. 3 EStG bestätigt wurde (vgl. Bl. 14 der GA sowie Bl. 58 der KG-Akte). Dem ...

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