rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünftequalifikation einer Berufsbetreuerin

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Berufsbetreuerin i.S. des § 1896 BGB ist gewerblich und nicht selbständig tätig.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 15 Abs. 2; AO 1977 § 141 Abs. 1, 1 Nr. 4; EStG § 18 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gewerblich tätig ist und deshalb ab dem 1. Januar 2001 zu Recht zur Buchführung nach § 141 AO aufgefordert wurde.

Die Klägerin ist Berufsbetreuerin i.S.d. § 1896 BGB. Als solche betreut sie ältere, sozialschwache, körperlich und geistig behinderte Menschen, die zu ca. 90 % in verschiedenen Einrichtungen untergebracht sind.

Berufsbetreuer werden in Listen geführt. Sie werden von den Richtern nach ihrer fachlichen Qualifikation für den jeweiligen Einzelfall ausgesucht und bestellt. Der Schwerpunkt und die Fachkenntnisse der Klägerin liegen im finanziellen und wirtschaftlichen Bereich. Dies ist darin begründet, dass sie gelernte Bankkauffrau ist. Außerdem war sie lange Zeit als Heimleiterin tätig. Die Richter wählen sie gezielt für Betreute aus, bei denen diese Fachkenntnisse erforderlich sind.

Überwiegend wird die Klägerin für rechnungspflichtige zu betreuende Personen bestellt. Ungefähr 80 % der von der Klägerin betreuten sind rechnungslegungspflichtig Es handelt sich dabei um vermögende und nicht vermögende Personen. Bei nicht vermögenden Personen folgt die Rechnungslegungspflicht zum Beispiel aus dem Pflegewohngeld. Die Rechnungslegung erfolgt in der Regel für jeden Betreuten einmal im Jahr. In einem Jahr erstellt die Klägerin insgesamt ungefähr 45 Rechnungslegungen. Im Einzelnen kann dies variieren, da auch die Zahl der Betreuten variiert. Zur Zeit hat sie 55 Betreute.

Neben der Rechnungslegung kümmert sich die Klägerin für die Betreuten auch um Abrechnungen mit Versicherungen, z.B. mit Sozialversicherungsträgern. Außerdem überprüft die Klägerin die Dokumentation des Pflegepersonals der einzelnen Einrichtungen für den medizinischen Dienst der Krankenkassen. Sie sorgt dafür, dass die in der Dokumentation aufgeführten Leistungen tatsächlich stattfinden und richtig abgerechnet werden. In diesem Zusammenhang hat sie regelmäßig Kontakt zu ambulanten und stationären Diensten (Heim, Arzt, Krankenhaus, Pflegepersonal usw.).

Kontakt hat sie für die Betreuten auch mit Ämtern, Behörden und sonstigen Institutionen (Sozialamt, Krankenkasse usw.), sowie häufig mit Banken und Gerichten (z.B. wegen der Freigabe von Sparguthaben oder zur mündelsicheren Anlage von finanziellen Mitteln).

Zeitlich steht die persönliche Betreuung im Vordergrund. Die Klägerin führt mit ihren Klienten nicht nur Gespräche über finanzielle Fragen, sondern kümmert sich auch um deren Seelsorge, spricht mit ihnen über die „kleinen Alltagssorgen”, über deren Ängste und über deren Krankheiten. Zu dem Aufgabenkreis der Klägerin gehört es, Rat zu geben, zuzuhören, oder auch einfach nur mit dem Betreuten „eine Tasse Kaffee zu trinken”. Ganz vereinzelt geht sie mit oder für die Betreuten einkaufen. Gelegentlich hat sie Kontakt zu Bezugspersonen der Betreuten, sofern welche vorhanden sind.

Der zeitliche Aufwand, der für die persönliche Betreuung und für die finanzielle bzw. wirtschaftliche Betreuung anfällt, lässt sich nicht im Einzelnen differenziert beziffern. Die Klägerin betreut alle von ihr zu betreuenden Personen selber.

Die Klägerin darf keine Werbung für sich machen. Sie hat für ihre Tätigkeit Rechtskenntnisse. Im Betreuungsrecht bildet sie sich permanent fort. Dies wird dadurch erschwert, dass es besonders viele Gesetzesänderungen insbesondere im Bereich der Kranken- und Sozialversicherung gibt.

Die Klägerin selbst rechnet ihre Leistungen nach Stundensätzen ab. Sie erhält 23 EUR/Stunde. In ihren Abrechnungen muss sie sämtliche einzelnen Tätigkeiten aufführen und den Anlass für die jeweilige Tätigkeit darlegen.

Im Jahre 1998 erzielte die Klägerin einen Gewinn i.H.v. 51.866 DM. Daraufhin erging unter Hinweis auf diesen Gewinn am 9. November 2000 ein Bescheid, mit dem die Klägerin nach § 141 AO für ihren Gewerbebetrieb zur Buchführung ab dem 1. Januar 2001 aufgefordert wurde. Mit dem hiergegen am 17. November 2000 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, nicht gewerblich, sondern selbständig tätig zu sein. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2002 als unbegründet zurückgewiesen, da die Tätigkeit der Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit sei. Am 22. März 2002 erhob die Klägerin Klage.

Die Klägerin trägt vor, dass sie als Berufsbetreuerin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG erziele. Insbesondere sei ihre Tätigkeit mit der eines Vermögensverwalters i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vergleichbar. Denn sie betreue überwiegend rechnungspflichtige Personen, für die sie die Vermögenssorge trage. Sie übe in der Sache die berufsmäßige Verwaltung fremden Vermögens aus. So müsse sie fremdes Kapitalvermögen verzinslich anlegen oder fremdes Immobilienvermögen vermieten, ve...

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