Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilung von Zustellungsmängeln

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Verstoß gegen die Zustellungsregeln des § 15 Abs. 1 VwZG a.F. führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheides, sondern stellt einen heilbaren Mangel i.S.v. § 9 VwZG a.F. dar.

2) Die Heilung eines Zustellungsmangels durch nachweislichen Zugang kann auch durch Übersendung einer Kopie des zuzustellenden Dokuments erfolgen. Ob der Absendende mit der Übersendung der Kopie die Vorstellung verbindet, dass dadurch eine wirksame Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 AO erfolgt, ist unerheblich.

 

Normenkette

VwZG a.F. §§ 9, 15 Abs. 1; AO § 122 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.11.2008; Aktenzeichen X B 55/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage der Nichtigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheides aufgrund von Zustellungsmängeln.

Der Kläger betrieb im Streitjahr den An- und Verkauf von Automobilen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Seinen Wohnsitz hatte der Kläger im Bereich des Finanzamts A.

Am 03.03.2004 zeigte die WP/StB-Gesellschaft D dem Beklagten an, dass sie den Kläger nicht mehr vertreten. Auf Fax-Anfrage vom 14.06.2004 teilte die Stadt A dem Beklagten am 08.07.2004 mit, dass der Kläger nach unbekannt abgemeldet worden sei. Nachfolgend beauftragte der Beklagte am 12.07.2004 seinen Außendienst mit der Feststellung, ob das Unternehmen des Klägers an der Geschäftsadresse in B noch ansässig sei. Der Vollstreckungsbeamte teilte aufgrund einer Inaugenscheinnahme vom 23.07.2004 mit, dass an der Unternehmensanschrift keine Pkws mehr vorhanden seien und das Büro nicht besetzt sei. Die Telefonbuchrecherche des Beklagten vom 22.09.2004 ergab für den Kläger keinen Treffer. In A war lediglich eine Person mit dem Namen E eingetragen. Auf telefonische Anfrage des Beklagten teilte das ehemalige Wohnsitzfinanzamt des Klägers Aam 22.09.2004 mit, dass der Kläger dort nicht zu ermitteln sei und die letzten Bescheide öffentlich zugestellt worden seien.

Wegen Nichtabgabe der Feststellungserklärung schätzte der Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2005 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2003 endgültig mit 80.000 Euro. Am 06.04.2005 verfügte der Sachbearbeiter C die öffentliche Zustellung des Gewinnfeststellungsbescheides 2003 nach § 15 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes alte Fassung –VwZG a.F.–, da der derzeitige Aufenthaltsort des Klägers unbekannt und Zustellungsversuche durch die Post und Ermittlungen über den Aufenthaltsort ergebnislos geblieben seien. Die Verfügung zur öffentlichen Zustellung benennt den Bescheid sowie den Ort der möglichen Aushändigung und wurde am 07.04.2005 beim Beklagte ausgehängt und am 21.04.2005 abgenommen. Der Aushang wurde durch eine Paraphe bestätigt, die an ein klein geschriebenes „h” erinnert, sowie die Abnahme durch einen unleserlichen Namenszug.

Am 14.12.2005 reichte der Kläger die ausstehende Feststellungserklärung nebst Gewinnermittlung ein, die einen Gewinn von 26.177 Euro ausweist. Die Erklärung ist von Herrn H mit dem Zusatz i.A. unterzeichnet und weist den Steuerberater K als Empfangsbevollmächtigten aus. Der Beklagte wertete dies als Einspruch. Auf Verfristungshinweis des Beklagten nahm der Steuerberater K den Einspruch zurück. Auf gleichzeitiges Verlangen des Herrn K übersendete der Beklagte diesem eine als Kopie bezeichnete Abschrift des Feststellungsbescheides am 23.03.2006, worauf Herr K gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2003 Einspruch erhob. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger eine Vollmacht zu Gunsten von Herrn H vor, die als Datum X (im Ausland), den 17.05.2006 ausweist. Den Einspruch wies der Beklagte aufgrund Verfristung mit Entscheidung vom 22.11.2006 als unzulässig zurück.

Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 der Abgabenordnung –AO– und stellte nachfolgend seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des durch öffentliche Zustellung bekannt gegebenen Gewinnfeststellungsbescheides 2003 um. Mit Entscheidung vom 08.08.2007 lehnte der Beklagte den Feststellungsantrag ab, wogegen sich der Kläger mit der vorliegenden Klage wendet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht erfüllt seien, so dass der Feststellungsbescheid nichtig und damit gemäß § 124 Abs. 3 AO unwirksam sei. Daher stünde ihm ein Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 125 Abs. 5 Satz 2 AO zu.

Die öffentliche Zustellung sei „ultima ratio”, so dass die Anordnung der öffentlichen Zustellung ohne vorherige Ausschöpfung sämtlicher Ermittlungsmöglichkeiten gegen das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs verstoße und damit unwirksam sei. So hätte der Beklagte beim ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers sich nach dessen Anschrift erkundigen müssen. Daneben hätte der Beklagte Erkundigungen bei in Awohnenden Angehörigen des Klägers einholen müssen. Auch hätten Ermittlungsversuche bei den Banken des Klägers aufgrund der dortigen Vollstreckungsmaßnahmen zum Erfolg geführt. Hiergegen sprächen auch keine G...

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