Entscheidungsstichwort (Thema)

Inkongruente Gewinnausschüttung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine inkongruente Gewinnausschüttung ist auch im Falle einer anschließenden inkongruenten Wiedereinlage steuerlich anzuerkennen, wenn der Gewinnausschüttungsbeschluss zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist.

2) Alleine die Anfechtbarkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses beseitigt die steuerliche Anerkennung nicht.

3) Alleine die einem inkongruenten Gewinnverteilungsbeschluss nachfolgende inkongruente Wiedereinlage des zuvor ausgeschütteten Betrages führt nicht zur Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung im Sinne des § 42 AO.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 5; GmbHG § 29 Abs. 3; AktG § 243 Abs. 1; AO § 42; EStG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.03.2021; Aktenzeichen VIII R 28/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung.

Die Kläger sind Eheleute und werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in den Streitjahren gemeinsam mit seinen beiden Schwestern, den Beigeladenen, Gesellschafter der D GmbH (im Folgenden: GmbH). Der Anteil des Klägers am Stammkapital der GmbH in Höhe von 256.000 € betrug 85.400 €, diejenigen der Beigeladenen jeweils 85.300 €. Daneben war der Kläger in den Streitjahren alleiniger Gesellschafter der D1 GmbH.

Der – in diesem Punkte unstreitig bis in die Streitjahre nicht geänderte – Gesellschaftsvertrag der GmbH in der Fassung vom 2. März 1971 (UR-Nr. 420/1971 des Notars E in K) regelt unter § 8, dass die Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Geschäftsanteile am Gewinn und Verlust der GmbH beteiligt sind. Eine Öffnungsklausel dergestalt, dass von diesem Gewinnverteilungsmaßstab durch Gesellschafterbeschluss abgewichen werden könne, existiert nicht.

Am 17. Dezember 2007 hielten die Gesellschafter der GmbH unter Verzicht auf Formen und Fristen eine Gesellschafterversammlung ab und trafen folgenden Beschluss:

  1. „Da kurzfristige Investitionen nicht vorgesehen sind, ist die vorgehaltene Liquidität zur Zeit nicht erforderlich.
  2. Für 2007 wird die Ausschüttung einer Bruttodividende von 180.000 € beschlossen.
  3. Eine weitere Ausschüttung wird für April 2008 beschlossen. Hierfür ist eine Bruttodividende von ca. 200.000 € vorgesehen.
  4. Mangels ausreichender Substanz nimmt Herr D1 (Anm.: der Kläger) an den Ausschüttungen nicht teil.”

Unterschrieben ist das Protokoll vom Kläger.

Mit notariellem Vertrag vom 6. Juni 2008 verkauften und veräußerten die Beigeladenen ihre Geschäftsanteile an der GmbH an die D1 GmbH. Der Kaufpreis betrug „unter Berücksichtigung der erfolgten Gewinnausschüttungen” jeweils 85.333,33 €. Der Gewinn für das laufende Geschäftsjahr (= Kalenderjahr) stand bezüglich der verkauften Geschäftsanteile der Käuferin zu. Das gleiche galt für die Gewinne vorangegangener Geschäftsjahre, die nicht bereits unter den Gesellschaftern verteilt waren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag verwiesen (Vertragsakte).

Der Gewinnausschüttungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 17. Dezember 2007 sowie die Ausschüttungen in Höhe von 180.000 € und in Höhe von – tatsächlich nur – 199.300 € waren Gegenstand einer steuerlichen Außenprüfung bei der GmbH. Die Gewinnausschüttungen wurden ausweislich des Bp-Berichts in der Schlussbesprechung der Außenprüfung dahingehend erläutert, dass diese im Hinblick auf die geplante Veräußerung der Anteile der Beigeladenen an die von dem Kläger beherrschte D1 GmbH erfolgt seien. Indem der Kläger die nach dem Gesellschaftsvertrag auf ihn entfallenden Gewinnausschüttungen nicht versteuert habe, habe er über die Liquidität zur Zahlung des Kaufpreises an die Beigeladenen verfügt. Sein Verzicht auf die anteiligen Gewinnausschüttungen sei bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt worden.

Der Betriebsprüfer vertrat hierzu die Auffassung, dass die inkongruenten Gewinnausschüttungen nicht anzuerkennen seien, so dass die beiden Gewinnausschüttungen entsprechend dem Beteiligungsverhältnis dem Kläger und den Beigeladenen zu jeweils 1/3 zuzurechnen seien. Das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19. August 1999, BFH/NV 1999, 112, sei aufgrund eines Nichtanwendungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen nicht anzuwenden; zudem sei vorliegend nach dem Gesellschaftsvertrag eine abweichende Gewinnverteilung nicht zugelassen.

Der Beklagte änderte aufgrund einer Kontrollmitteilung über diese Feststellungen bei der GmbH die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 gegenüber den Klägern gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) dahingehend ab, dass er die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen für das Jahr 2007 um 60.046,88 € (aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens 30.023,44 €) und im Jahr 2008 um 66.485,23 € (aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens 33.242,62 €) erhöhte.

Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger am 20. Dezember 2013 Einsprüche ein und rügten, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 AO nicht vorlägen und auch...

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