Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung einer ausländischen Steuerberatungsgesellschaft wegen geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige, nicht in Deutschland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft kann unter Berufung auf die gemäß Art. 56 AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige erbringen.

2. Mangels nationaler Regelungen, die eine Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikation eines Dienstleisters zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erlauben, geben die nationalen Regelungen in § 3a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nrn. 6 und 7 StBerG einen Anhaltspunkt für sachgerechte Anforderungen auch für den Fall, dass ein Dienstleister von einem anderen Mitgliedstaat aus ohne Grenzübertritt eine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen für inländische Steuerpflichtige ausüben will.

3. Ist weder der Beruf noch die Ausbildung zu diesem Beruf in dem anderen Mitgliedstaat reglementiert, genügt, dass die Person den Beruf im Staat der Niederlassung während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt hat. Die Berufsausübung in dem anderen Mitgliedstaat darf sich in diesem Fall aber nicht von vornherein darauf beschränken, ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige zu erbringen. Insoweit hat der Dienstleister die entsprechenden Nachweise zu erbringen.

 

Normenkette

StBerG § 3 Nr. 3, § 3a Abs. 1 S. 4, Abs. 2, § 32 Abs. 3; AEUV Art. 56; AO § 80 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.12.2020; Aktenzeichen VII R 15/20)

BFH (Aktenzeichen VII R 15/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit Sitz in Großbritannien und einer Niederlassung in den Niederlanden. Gesellschafter und Geschäftsführer „director”) sind Herr A und Frau B. Herr A war in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Steuerberater bestellt gewesen. Seine Bestellung hat das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 wegen Vermögensverfalls widerrufen (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes in der für 2013 geltenden Fassung – StBerG). Der Widerruf ist seit dem Jahr 2002 rechtskräftig. Frau B gehört nicht zu dem Personenkreis des § 3 Nr. 1 StBerG.

Die Klägerin ist in Deutschland nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. StBerG anerkannt. Gegenstand der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin ist die Wirtschafts- und Steuerberatung und das Rechnungswesen. Mit diesem Firmenzweck ist sie in das niederländische Handelsregister eingetragen. Sie berät mehrere in Deutschland ansässige Mandanten in steuerlichen Angelegenheiten und tritt für diese als Bevollmächtigte in steuerlichen Verfahren auf.

Für Postsendungen benannte die Klägerin als Zustellungsbeauftragte zunächst die Z Ltd. (Z-Ltd) und später die W Ltd. (W-Ltd) jeweils mit Sitz in der C-Straße …, … D, Deutschland.

Am 10.10.2011 schloss die Klägerin mit Rückwirkung ab 1.10.2011 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für die gesetzliche Haftpflicht aus der Hilfeleistung in Steuersachen gem. § 3a StBerG (vom Ausland aus) ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Gerichtsakten des Verfahrens 7 K 615/14 (Bl. 184 f. dieser Gerichtsakte) gereichte Kopie der Versicherungspolice verwiesen.

Mit Schreiben vom 30.7.2013 legte die Klägerin für den in Deutschland, M-Straße …, … D, wohnhaften Herrn Q Einspruch gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung ein, mit der der Beklagte bei Herrn Q wegen Einkommensteuer 2009 vollstreckte.

Unter dem 1.8.2013 übersandte der Beklagte der Klägerin ein mit dem Betreff „Zurückweisung wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen” überschriebenes Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Darin heißt es, die Klägerin habe „geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet (Einspruch gegen die Einkommensteuer 2009) ohne dazu befugt zu sein (§ 5 Abs. 1 StBerG).” Die Klägerin werde als Bevollmächtigte ihres Auftraggebers zurückgewiesen (§ 80 Abs. 5 der Abgabenordnung in der bis einschließlich 2016 geltenden Fassung – AO). Verfahrenshandlungen, die die Klägerin trotz dieser Zurückweisung für die Vollmachtgeberin vornehme, seien unwirksam. Herr Q als ihr Auftraggeber werde entsprechend unterrichtet (§ 80 Abs. 8 AO). Das Schreiben vom 1.8.2013 wurde der Klägerin am 6.8.2013 unter der o.g. Adresse in D, C-Straße …, mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 5.9.2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen ihre am 6.8.2013 zugestellte Zurückweisung als Bevollmächtigte des Herrn Q vom 1.8.2013 „als Klage auf Feststellung der Nichtigkeit und ohne Vorverfahren (als) Anfechtungsklage in Form der Sprungklage” erhoben. Der Beklagte hat der Sprungklage fristgerecht zugestimmt.

Die Klägerin macht geltend, die Zurückweisung gemäß § 80 AO sei so eindeutig rechtswidrig, ...

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