Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsberechnung gemäß § 31 Abs. 4 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Vergleichsberechnung nach § 31 Satz 4 EStG – vorliegend für den VZ 2017 - ist allein der im einkommensteuerlichen Veranlagungszeitraum abstrakt bestehende Kindergeldanspruch maßgeblich und zwar unabhängig davon, ob der bestehende Kindergeldanspruch durch Zahlung erfüllt worden ist.

§§ 31 Satz 5 und 66 Abs. 3 EStG stehen dem nicht entgegen.

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 3, § 31

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.10.2021; Aktenzeichen III R 18/20)

BFH (Aktenzeichen III R 18/20)

 

Tatbestand

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Sohn U (geb. 1995) ging im Streitjahr einem Studium (Erstausbildung) nach.

Der Kläger hat für die Monate Januar und Februar 2017 in Höhe von insgesamt 384 EUR Kindergeld bezogen. Mit Bescheid vom 08.01.2019 setzte die Familienkasse ab dem Monat März 2017 weiterhin Kindergeld fest. Unter Bezugnahme auf den damals geltenden § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte die Familienkasse die nachträgliche Auszahlung des Kindergeldes für die Monate vor Juni 2018 ab, da der Kindergeldantrag erst am 10.12.2018 eingegangen sei. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.

In der Einkommensteuererklärung 2017 wurde ein Kinderfreibetrag unter Anrechnung des tatsächlich ausgezahlten Kindergeldes von 384 EUR beantragt.

Mit Bescheid vom 09.04.2019 berücksichtigte der Beklagte den Kinderfreibetrag antragsgemäß, rechnete aber den gesamten Kindergeldanspruch des Jahres 2017 in Höhe von 2.304 EUR hinzu. Das Einspruchsverfahren war erfolglos. Der Beklagte führte zur Begründung an, § 31 Satz 4 EStG stelle auf den Kindergeldanspruch und nicht auf das tatsächlich bezogene Kindergeld ab. Es sei auf den Kindergeldanspruch für den Veranlagungszeitraum abzustellen, nicht hingegen, ob ein Kindergeldantrag gestellt oder eine Zahlung erfolgt sei (Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019).

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 26.06.2019. Die Kläger machen geltend, soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil V R 59/10 auf den bloßen Kindergeldanspruch abgestellt habe, habe er dies ausdrücklich damit begründet, dass die damalige Ausschlussfrist in § 66 Abs. 3 EStG a.F., wonach Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats der Antragstellung gezahlt worden sei, mit Wirkung ab 01.01.1998 entfallen sei. Mit der Wiedereinführung einer solchen Frist werde folglich der Anspruch auf vollständige Berücksichtigung der kindbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit aus den vom BFH explizit erörterten Gründen unzulässig beschnitten und verstoße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Soweit der Beklagte anführe, der zusammen mit § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG neu eingefügte § 31 Satz 5 EStG habe nicht lediglich die Reparatur einer fehlerhaften oder unbilligen Rechtslage zum Gegenstand, erschließe sich nicht, was sonst Hintergrund des § 31 Satz 5 EStG gewesen sein solle.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 2017 unter Abänderung des Bescheides vom 09.04.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019 um 1.920 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, er sei an das Gesetz gebunden. Kindergeldfestsetzung und -erhebung seien getrennt zu beurteilen. Nach der früheren Rechtslage sei bei der Berechnung des Familienlastenausgleichs der Anspruch auf Kindergeld und nicht das tatsächlich ausgezahlte Kindergeld berücksichtigt worden. § 66 Abs. 3 EStG schränke den materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch nicht ein, sondern beziehe sich nur auf die Kindergeldauszahlung. § 66 Abs. 3 EStG betreffe somit die Erhebung. Die Vorschrift sei zeitlich nur noch auf Kindergeldanträge anzuwenden, die bis zum 18.07.2019 gestellt worden seien (§ 52 Abs. 49a Satz 8 EStG). In diesen Zeitraum falle der Kindergeldantrag im Streitfall. Die Folgevorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimme, dass festgesetztes Kindergeld nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Kindergeldantrag eingegangen sei, ausgezahlt werde. Die Vorschrift gelte für Kindergeldanträge, die nach dem 18.07.2019 eingegangen seien (§ 52 Abs. 50 EStG). Die Günstigerprüfung des § 31 Satz 4 EStG stelle wie bisher auf den Kindergeldanspruch ab. Neu eingefügt worden sei § 31 Satz 5 EStG, wonach festgesetztes, aber wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur beschränkt ausgezahltes Kindergeld bei der Günstigerprüfung nur in der tatsächlich ausgezahlten Höhe berücksichtigt werde. Diese Regelung gelte ab dem Veranlagungszeitraum 2019. Die der strittigen Steuerfestsetzung zugrunde liegende Auffassung werde durch eine interne Dienstanweisung vom 31.01.2020 bestätigt. Er – der Beklagte – sei hieran gebunden. Die Frage eines Billigkeitserlasses gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) sei hier nicht streitgegenständlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern im Streitjahr 2017 ein Kindergeldanspruch zustand, der gem...

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