Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewöhnlicher Aufenthalt nach § 9 AO und Art 4 Abs. 3 Satz 1 DBA Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Moderatorin mit Wohnsitz in der Schweiz, die sich vertraglich für mehrere Jahre verpflichtet, eine wochentäglich ausgestrahlte Talkshow in Deutschland zu produzieren und sich zu diesem Zweck während jeder Produktionswoche von Montag bis Donnerstag oder Freitag in Deutschland aufhält, hat in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt sowohl gemäß § 9 AO als auch im abkommensrechtlichen Sinne nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA Schweiz. Kurzfristige Unterbrechungen an den Wochenenden und für ein bis zwei Wochen in den Oster-, Herbst- oder Weihnachtsferien sowie eine vertraglich vereinbarte Sommerpause von eineinhalb bis zwei Monaten stehen dem nicht entgegen.

 

Normenkette

AO § 9; DBA Schweiz Art. 4 Abs. 3 S. 1; EStG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.06.2011; Aktenzeichen I R 26/10)

BFH (Urteil vom 22.06.2011; Aktenzeichen I R 26/10)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Ehefrau des Klägers, Frau M, in den Streitjahren in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.

Frau M war von Beruf Moderatorin und lebte seit 0000 mit ihrer Familie in H in der Schweiz.

In den Streitjahren produzierte Frau M als Moderatorin und redaktionelle Leiterin zusammen mit der F KG (im Folgenden kurz: F) in R (Deutschland) eine wochentägliche Talkshow. Laut Ziffer 2 des „Vertrags für Mitwirkende” (Bl. 53 ff. der FG-Akten) war sie verpflichtet, an den Proben und Produktionssitzungen zu dieser Show in R teilzunehmen. Je Produktionswoche sollten fünf Produktionen erfolgen, welche wegen der genauen Terminierung mit Frau M abzusprechen waren, so dass insgesamt 180 Folgen pro Jahr produziert wurden. Hinsichtlich der Terminabsprache war Frau M nicht weisungsgebunden. In den Monaten Juni bis August war eine zeitlich nicht genauer definierte Sommerpause vereinbart. Darüber hinaus bestand keine Anwesenheitspflicht für Frau M in R. Die Laufzeit des Vertrags war auf vier Jahre, beginnend mit dem 00.00.0000, festgelegt und konnte seitens F außerordentlich gekündigt werden. Weiterhin sollte der Vertrag enden, wenn die Produktion der Sendung durch F eingestellt werden würde (Ziffer 4.4 letzter Absatz). F übernahm die produktionsbedingten Reisekosten sowie die Hotelkosten (Ziffer 4.5 und 4.6 des Vertrags). Alternativ bestand für Frau M die Möglichkeit, ein Appartement anzumieten oder zu kaufen, zu dessen Kostenübernahme sich F für die Vertragslaufzeit bis zu … DM monatlich verpflichtete. Der Vertrag wurde letztlich vorzeitig zum 00.00.0000 beendet.

F mietete zunächst für Frau M im Hotel S (Zimmer …) und ab Januar 1997 im Hotel U (Zimmer …, ab Juni 1998 Nr. … und Nr. … am 2./3.04.1998) jeweils ein Hotelzimmer an. Dabei wurden mit den Hotels folgende feste Buchungszeiträume vereinbart, um günstigere Konditionen zu erzielen:

1996

1997

1998

1999

08.01. bis 30.06.

Anfang Januar bis 30.06.

11.01. bis 26.06

01.01. bis 30.06.

Sommerpause

Sommerpause

Sommerpause

15.08. bis 22.12.

16.08. bis 17.12.

01.09. bis 19.12.

Weihnachtspause

Weihnachtspause

Weihnachtspause

Frau M reiste zu den Produktionen in der Regel am Montag einer Produktionswoche nach R an und kehrte donnerstags abends oder freitags in die Schweiz zu ihrer Familie zurück. Zudem gab es um die Osterfeiertage und im Herbst jeweils eine produktionsfreie Woche, in der sich Frau M nicht in R aufhielt (in 1996: … und …; in 1997: … und …, zusätzlich …). Insoweit wird auf die von Frau M 2003 erstellten Aufzeichnungen verwiesen (Bl. 201 ff. der FG-Akte). Teilweise wurden an einem Produktionstag mehrere Sendungen aufgezeichnet.

Die Hotels rechneten gegenüber F in der Regel sämtliche gebuchten Tage eines Monats ab, insbesondere auch die Wochenenden und produktionsfreien Wochen, an denen Frau M in die Schweiz zurückgekehrt war, mit Ausnahme der Sommer- und Winterpause (s. Bl. 61 ff. der FG-Akten). Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob das Hotel U berechtigt war, nach der Abreise von Frau M das Zimmer anderweitig zu vermieten (s. Schreiben des Herrn Q vom 03.09.2003 und der Aussage der Frau K vom 30.11.2005, Bl. 111 ff. d. FG-Akten). Ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Hotelrechnungen für die Streitjahre schrieb das Hotel U F zwei Mal, am 00.00.0000 und 00.00.0000, Beträge gut und zwar in Höhe von … DM für die Vermietung an Frau J und in Höhe von … DM für die Vermietung an Herrn L (s. Rechnung Hotel U vom 03.02.1998, Bl. 82 d. FG-Akte).

Für die Streitjahre wurde bei F eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt, in deren Folge mit Daten vom 15.12.2003 erstmalige Einkommensteuerschätzungsbescheide für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. In den streitgegenständlichen Bescheiden wurden folgende – der Höhe nach unstreitige – Einkünfte von Frau M aus selbständiger Arbeit der Besteuerung zu Grunde gelegt, die zuvor dem Steuerabzug nach § 50a des EinkommensteuergesetzesEStG – unterworfen worden waren:

1996:

… DM

199...

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