Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug: Anforderungen an die Leistungsbezeichnung gelieferter Gegenstände - Benennung des Lieferdatums - Erforderlichkeit substantiierter Darlegungen zur Leistungserbringung - Vertrauensschutz im Billigkeitsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Leistungsbezeichnung gelieferter Gegenstände erfordert, sofern Artikelnummern oder Herstellerbezeichnungen nicht erkennbar sind, eine zur Identifizierung geeignete Beschreibung der Beschaffenheit der Gegenstände.

2. Das Lieferdatum ist auch dann zu benennen, wenn es mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt.

3. Substantiierte Darlegungen zur Leistungserbringung (durch den Rechnungsaussteller oder einen Dritten) sind jedenfalls dann erforderlich, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel rechtfertigen.

4. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind im gesonderten Billigkeitsverfahren zu prüfen.

5. Vertrauensschutz kommt auch im Billigkeitsverfahren nicht in Betracht, wenn es schon an den erforderlichen Formalien einer Rechnung fehlt bzw. solche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlen, die Gegenstand der Wahrnehmung des Rechnungsempfängers sind.

 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 226 Ziff. 7

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Vorsteuerabzug.

Der Kläger betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Textilien.

Nach den Feststellungen der Prüferin im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung (Bericht vom 31.08.2011 Betriebsprüfungsarbeitsakte - BpA - 3 Bl. 122) handelte es sich bei den Textilien nicht um Markenware, sondern um Waren, die dem niedrigen Preissegment angehörten. Mangels Ausweises von Artikelnummern auf den eingekauften wie auf den veräußerten Textilien habe eine eindeutige Identifizierung der Ware und des Lieferweges sowie eine Nachkalkulation nicht erfolgen können. Die Wareneinkäufe seien in Frankreich, Polen und im Bundesgebiet ohne vorherige Bestellung meist durch Abholung der Ware in sog. Markthallen bzw. Modezentren (im Bundesgebiet in A und GG) und ausnahmslos gegen Barzahlung erfolgt. Die Rechnungen seien entweder vor Ort ausgestellt oder später per Post übersandt worden. Aufgrund von Auskünften anderer Finanzämter sei davon auszugehen, dass den Rechnungen der Firmen C GmbH, D GmbH, E, F GmbH und G GmbH keine Lieferungen i. S. v. § 3 Abs.1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zugrunde gelegen hätten. Ermittlungen hätten ergeben, dass einige Rechnungsaussteller an den angegebenen Anschriften nicht zu ermitteln gewesen, einige gar nicht bzw. jedenfalls nicht im Bereich des Textilhandels wirtschaftlich aktiv gewesen seien.

In Bezug auf die Firma C GmbH hatte die Steuerfahndung B in einem Schreiben vom 16.03.2010 (BpA 3 Bl. 44) mitgeteilt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz seit dem 26.03.2007 nicht mehr bestehe, H seit diesem Zeitpunkt nicht mehr Geschäftsführer sei (zudem auf der Rechnung vom 30.03.2007 falsch geschrieben sei - "...") und der nachfolgende Geschäftsführer J abstreite, jemals mit der Firma wirtschaftlich aktiv geworden zu sein (s. a. Vermerk der Steuerfahndung B vom 08.05.2012 Rechtsbehelfsakte - RbA - Bl. 34R). Auch solle J erklärt haben, keine Geschäftsunterlagen von seinem Vorgänger erhalten zu haben; dieser habe die Geschäftsräume in der X-Straße nach dem Verkauf zudem an einen Inder übergeben. Schließlich hatte die Steuerfahndung darauf hingewiesen, dass auf den Rechnungen ab 12.06.2007 die Steuernummer, die USt-ID-Nummer und die Handelsregisternummer der D GmbH verwendet worden seien.

Hinsichtlich der Firma D GmbH hatte die Steuerfahndung ebenfalls in dem Schreiben vom 16.03.2010 mitgeteilt, dass die Firma unter dem angegebenen Geschäftssitz seit dem 28.02.2007 nicht mehr zu erreichen sei und die angegebene Geschäftsführerin K nur als Strohfrau anzusehen und seit dem 01.10.2006 unbekannten Aufenthalts sei. In einem Ermittlungsverfahren seien Blanko-Überweisungsträger mit der Unterschrift "K" gefunden worden.

Nach Mitteilung des Finanzamts L - ... - (E-Mail vom 11.11.2010, BpA 3 Bl. 46) seien im Rahmen einer Ortsbesichtigung (Umsatzsteuer-Nachschau) unter der Rechnungsanschrift der Firma E GmbH in M am 09.08.2010 in einem dortigen Mehrfamilienhaus keine Lagerräume vorgefunden worden; die Firma sei bei Anwohnern nicht bekannt gewesen. Der Unterzeichner der E-Mail gehe davon aus, dass es sich um einen "missing trader" handele. In einem übermittelten Schriftsatz des Steuerberaters der Firma an das Finanzamt N vom 16.07.2009 hatte dieser mitgeteilt, das Mandat niedergelegt zu haben, da er seit Januar 2009 keinen Kontakt mehr zu der Firma habe (BpA 2 Bl. 109).

Für die Firma G GmbH lag u. a. ein Vermerk der Steuerfahndung B vom 29.06.2011 (BpA 3 Bl. 114 ff.) vor. Hiernach sollen im Rahmen einer Durchsuchung aus Anlass der Überprüfung eines Handy-Handels in den Geschäftsräumen keine Hinweise auf einen Textilhandel erkennbar gewesen sein und sollen nur auf den beschlagnahmten Datenträgern Rechnungen für Textillieferungen gefunden worden sein. Ein Abgleich der in de...

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