Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerrecht: Sonderausgabenabzug für sonstige Vorsorgeaufwendungen ab 2010 ist verfassungskonform

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verminderung des Sonderausgabenabzugs für die private Krankenversicherung der Basisversorgung um die Arbeitgeberzuschüsse auch insoweit, als diese auf die Komfortversorgung entfallen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG), ist verfassungsgemäß.

2. Der Ausschluss anderer Vorsorgeaufwendungen (wie Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung, Haftpflichtversicherung, Unfallversicherung) vom Sonderausgabenabzug, wenn die Aufwendungen für die Krankenversicherung der Basisversorgung den Höchstbetrag bereits ausschöpfen (§ 10 Abs. 4 Satz 4), ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2, Abs. 4 S. 4, § 3 Nr. 62; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 3; SGB V § 257 Abs. 1-2; SGB XI § 61 Abs. 1-2; SGB XII § 27a Abs. 1-2, 4, §§ 28-29, 32-33, 9 Abs. 1, § 82 Abs. 2 Nrn. 2-3; RBEG §§ 5-6; RSV § 2 Abs. 2

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung des gesamten Arbeitgeberzuschusses zur privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung auf die Beiträge zur Basisversorgung, nicht aufgeteilt in einen Zuschuss zur Basisversorgung und einen Zuschuss zur Komfortversorgung, beim Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG in der Fassung des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung (Streitjahr 2010).

I.

1. a) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Angestellte, deren Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß § 6 Abs. 6 SGB V übersteigt, in der gesetzlichen Krankenversicherung (nicht jedoch in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung) versicherungsfrei. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze betrug 2010 49.950 Euro jährlich, entsprechend 4.162,50 Euro monatlich.

b) Gemäß § 257 Abs. 1 und 2 SGB V sind Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigten, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, einen Beitragszuschuss zu zahlen.

Sind die Beschäftigten freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, erhalten sie gemäß § 257 Abs. 1 SGB V einen Zuschuss in Höhe desjenigen Betrages, den der Arbeitgeber gemäß § 249 Abs. 1 SGB V bei Versicherungspflicht zu tragen hätte, d. h. die Hälfte der Beiträge des Beschäftigten aus dem Arbeitsentgelt nach dem (um 0,9 Beitragssatzprozentpunkte verminderten) allgemeinen Beitragssatz.

Sind die Beschäftigten bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert, erhalten sie gemäß § 257 Abs. 2 SGB V einen Zuschuss in Höhe desjenigen Betrages, der sich bei Versicherungspflicht ergäbe (die Hälfte des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatzes gemäß § 241 SGB V, angewendet auf die bei Versicherungspflicht gemäß § 226 Abs. 1 SGB V beitragspflichtigen Einnahmen, d. h. das Arbeitsentgelt), jedoch höchstens die Hälfte des Betrages, den der Beschäftigte für seine Krankenversicherung (insgesamt) zu zahlen hat.

Die Regelungen für die Pflegeversicherung in § 61 Abs. 1 und 2 SGB XI lauten entsprechend: Der Arbeitgeberzuschuss ist begrenzt auf den Betrag, der bei Versicherungspflicht vom Arbeitgeber zu leisten wäre, bei privat krankenversicherten außerdem auf die Hälfte des Betrages, den der Beschäftigte an seine Versicherung insgesamt zu zahlen hat.

c) Gemäß § 3 Nr. 62 EStG sind Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, zu denen der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, steuerfrei. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV gehört zur Zukunftssicherung auch die Absicherung für den Fall der Krankheit.

2. a) Bis 2009 war der Sonderausgabenabzug von allen "sonstigen" Vorsorgebeiträgen (d. h. außer Altersvorsorge), darunter auch Kranken- und Pflegeversicherungen, gemäß § 10 Abs. 4 EStG begrenzt, und zwar allgemein auf 2.400 Euro, jedoch bei Leistungen des Arbeitgebers gemäß § 3 Nr. 62 EStG nur auf 1.500 Euro. Die (der Regelung des § 3c Abs. 1 EStG ähnliche) Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG schloss den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen aus, wenn diese in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen standen.

b) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte mit Beschluss vom 13.02.2008 diese Regelung für verfassungswidrig und verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neuregelung spätestens mit Wirkung zum 01.01.2010 (BVerfG, Beschluss vom 13.02.2008 2 BvL 1/06, DStR 2008, 604, Juris).

c)

aa) Mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung - BürgerEntlG KV) vom 16.07.2009 (BGBl. 2009 I S. 1959) änderte der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2010 § 10 EStG in mehrfacher Hinsicht. Die Höchstbetragsgrenzen des § 10 Abs. 4 EStG wurden angehoben (die allgemeine von 2.400 Euro auf 2.800 Euro, die bei Leistungen des Arbeitgebers gemäß § 3 Nr. 62 EStG von 1.500 Euro auf 1.900 Euro). Zugleich wurde bestimmt, dass Vorsorgeaufwendungen zur Basisversor...

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