Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerbarkeit und Steuerpflicht von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit sind umsatzsteuerbar.

2. Steuerbare Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit sind weder nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG noch nach der Richtlinie 2006/112/EG Art. 135 Abs. 1 Buchst. i von der Umsatzsteuer befreit.

3. Ein Aufsteller von Geldspielautomaten kann sich nicht auf die unmittelbare Anwendung der Steuerbefreiung der Richtlinie 2006/112/EG Art. 135 Abs. 1 Buchst. i berufen.

4. Die Besteuerung der Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten verletzt nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3. Abs. 1 GG.

5. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liegt in Bezug auf ausländische Betreiber von online-Casinos nicht vor.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 2005 § 4 Nr. 9 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1; AEUV Art. 267

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

Die Klägerin betreibt Geldspielgeräte mit Gewinnchancen. Die Klägerin reichte bei dem Beklagten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2014 bis 2017 ein und deklarierte ihre Umsätze (in 2015 bis 2017) aus dem Betrieb der Geldspielgeräte als umsatzsteuerpflichtig zu 19 %.

Die Umsatzsteuererklärung für 2014, eingegangen bei dem Beklagten am 12. Januar 2016, führte weder zu einer Steuerherabsetzung noch zu einer Vergütung und stand daher nach § 168 S. 1 der Abgabenordnung (AO) einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die Umsatzsteuererklärung für 2015, eingegangen bei dem Beklagten am 3. Januar 2017, wies ebenfalls keinen Erstattungsanspruch aus und stand daher nach § 168 Satz 1 der AO einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Den Umsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017, welche jeweils eine Erstattung auswiesen, stimmte der Beklagte am 14. März 2018 (2016), sowie am 20. Dezember 2018 (2017) zu.

Mit Schreiben vom 26. Dezember 2018 beantragte die Klägerin, die Steuerfestsetzungen für 2014 bis 2016 dergestalt zu ändern, dass die Erlöse aus Geldspielgeräten nicht mehr der Umsatzsteuer unterworfen werden; gleiches beantragte sie für die Umsatzsteuerfestsetzung 2017 mit Antrag vom 30. Dezember 2019. Mit Schreiben vom 23. Januar 2019 (Anträge für 2014 bis 2016) bzw. mit Schreiben vom 2. Januar 2020 (Antrag für 2017) lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Hiergegen legte die Klägerin am 6. Februar 2019 bzw. 30. Januar 2020 Einspruch ein. Sie begründete ihre Einsprüche sinngemäß dahingehend, dass ihre Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerfrei seien.

Durch seine Einspruchsentscheidung vom 23. April 2020 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 11. Dezember 2019 erneut bekräftigt habe, dass gegen die Umsatzbesteuerung von Spielgerätebetreibern keine Bedenken bestünden.

Die Klägerin wendet sich hiergegen mit der am 26. Mai 2020 bei Gericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, ihre Umsätze seien schon nicht umsatzsteuerbar. So hätten der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der BFH übereinstimmend geurteilt, dass der für einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehle, wenn die Zahlung des Leistungsempfängers ungewiss sei. Dies sei bei den von ihr, der Klägerin, betriebenen Geldspielautomaten der Fall. Die Gegenleistung, nämlich die Kasseneinnahmen am Ende eines Zeitraums, hänge - wie beispielsweise das Preisgeld bei einer guten Platzierung in einem Pferderennen - vom Zufall ab.

Ihre, der Klägerin, Geldspielautomaten seien nicht so konstruiert, dass diese ihr einen vorhersehbaren Ertrag verschafften. Zwar erziele sie mit ihren Automaten langfristig einen Gewinn, dieser sei jedoch von verschiedenen Faktoren, wie bspw. der Anzahl der bespielten Geräte, abhängig und für sie kaum kalkulierbar; er unterliege Schwankungen. Insbesondere sei er seit der Geltung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280) - Spielverordnung (SpielV) - nicht bis auf wenige Prozentpunkte vorhersehbar (zum Beweis beantragt die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens). Damit fehle es aber an einem unmittelbaren Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung und folglich auch an einem umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch. Ihre Einnahmen seien mehr als zufallsabhängige Gewinne als eine Gebühr für die Bereitstellung der Geldspielautomaten anzusehen.

Der BFH gehe u.a. mit seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2019 (XI R 13/18, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl. II - 2020, 296) daher zu Unrecht von einem unmittelbaren Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung und einer Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten aus.

Er...

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