Entscheidungsstichwort (Thema)

Tonnagebesteuerung, Auflösung des Unterschiedsbetrags

 

Leitsatz (amtlich)

Die mit dem Übergang zur Tonnagebesteuerung zur Erfassung bisher angelaufener stiller Reserven gesondert und gegebenenfalls einheitlich festgestellten Unterschiedsbeträge können nach der ursprünglichen Gesetzesfassung auch vor den in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Zeitpunkten dem Gewinn hinzugerechnet werden. Das Wort "spätestens" in § 5a Abs. 4 Satz 3 stellt kein offenkundiges redaktionelles Versehen des Gesetzgebers dar.

 

Normenkette

EStG § 5a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.10.2010; Aktenzeichen IV R 23/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Hinzurechnung des gem. § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG gesondert und einheitlich festgestellten Unterschiedsbetrags.

Die Klägerin ist eine Partenreederei. Sie betrieb im Streitjahr 1999 ein Handelsschiff im internationalen Verkehr, einen sog. Bulk-Carrier, der vor allem zum Transport von Holz, Kohle und Getreide verwendet wurde. Das Schiff war 1985 gebaut und ist inzwischen, im Jahr 2003, wieder verkauft worden.

Mit Schreiben vom 29.12.1999 beantragte die Klägerin, den Gewinn für das von ihr betriebene Schiff vom 01.01.1999 an nach der geführten Tonnage zu ermitteln. Mit (Änderungs-)Bescheid vom 07.08.2002 stellte der Beklagte die Unterschiedsbeträge gem. § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG auf den 31.12.1998 EStG erklärungsgemäß wie folgt gesondert und einheitlich fest (insgesamt: 2.464.930,00 DM):

Handelsschiff

Teilwert

3.999.593,00 DM

Buchwert aus Gesamthandelsbilanz

1.349.586,00 DM

Buchwert aus Ergänzungs- und Sonderbilanzen

470.184,00 DM

Unterschiedsbetrag

2.179.823,00 DM

Fremdwährungsverbindlichkeiten

Teilwert x

-3.892.148,00 DM

Buchwert aus Gesamthandelsbilanz

-3.892.148,00 DM

Unterschiedsbetrag

285.177,00 DM

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Teilwert

25.847,00 DM

Buchwert aus Gesamthandelsbilanz

25.917,00 DM

Unterschiedsbetrag

70,00 DM

Zwischenzeitlich, mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1999 vom 27.03.2002, hatte die Klägerin einen Gewinn aus Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.478.696,00 DM erklärt. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG

22.830,75 DM

Laufender Gewinn

-9.065,00 DM

Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG

2.464.931,00 DM

Summe:

2.478.696,75 DM

Mit Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 06.08.2003 stellte der Beklagte Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von (nur) 13.765,75 DM fest. Eine Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge lehnte der Beklagte unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 24.06.1999 (IV C 2-S 1900-65/99, BStBl. II 1999, 669, Rz. 25) ab.

Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein. Sie machte geltend, dass nach der für das Streitjahr 1999 geltenden Gesetzesfassung der Unterschiedsbetrag "spätestens" zu den nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Zeitpunkten dem Gewinn hinzuzurechnen sei. Die Formulierung "spätestens" schließe die Möglichkeit der Hinzurechnung zu einem früheren Zeitpunkt ausdrücklich mit ein. Das von dem Beklagten zitierte Schreiben des Bundesfinanzministeriums verstoße daher gegen den eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung.

Der Einspruch der Klägerin wurde mit Entscheidung des Beklagten vom 10.08.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Die Tonnagebesteuerung sei mit dem im Mai 1998 verabschiedeten Seeschifffahrtsanpassungsgesetz eingeführt worden, und zwar erstmals für nach dem 31.12.1998 endende Wirtschaftsjahre. Dabei sei dem Gesetzgeber hinsichtlich des Wortes "spätestens" in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG offenkundig ein redaktionelles Versehen unterlaufen, das dem Bundesfinanzministerium zufolge im Vorgriff auf eine gesetzliche Bereinigung schon im Streitjahr nicht zu beachten gewesen sei. Dementsprechend sei das Wort "spätestens" in § 5a Abs. 4 Satz 3 in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 gestrichen worden. Der Klägerin stehe somit kein Wahlrecht in Bezug auf den Zeitpunkt der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge zu.

Am 13.09.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor: Die Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift liefere keine Anhaltspunkte für das von der Finanzverwaltung behauptete redaktionelle Versehen im Hinblick auf das Wort "spätestens" in der bis einschließlich 1999 geltenden Gesetzesfassung. Damit stehe dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Unterschiedsbetrag zu einem beliebigen Zeitpunkt aufzulösen und den hieraus entstehenden Gewinn entsprechend zu versteuern. Dabei seien die Gründe für die von der Klägerin begehrte (vorzeitige) Auflösung des Unterschiedsbetrags unschwer zu erkennen. Durch die Einschränkungen des Gesetzgebers beim Verlustabzug ab dem Veranlagungszeitraum 1999 hätten die Gesellschafter der Klägerin eine Mindestbesteuerung hinnehmen müssen, obwohl die im Unterschiedsbetrag eingefrorenen stillen Reserven des Anlagevermö...

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