Entscheidungsstichwort (Thema)

Ingenieurähnliche Tätigkeit eines Autodidakten im EDV-Bereich

 

Leitsatz (amtlich)

Ein selbständiger EDV-Berater ohne Hochschulabschluss, der im Bereich der Systemtechnik bzw. der Entwicklung komplexer Anwendersoftware tätig ist, übt auch dann eine ingenieurähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit aus, wenn er nicht über ein ingenieurähnliches Grundlagenwissen verfügt.

 

Normenkette

EStG §§ 15, 18

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen XI R 29/06)

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob der Kläger im Sinne von § 18 EStG selbständig tätig ist oder ob er einen Gewerbebetrieb unterhält.

Der Kläger ist seit 1998 selbständiger EDV-Berater.

Nach der Mittleren Reife in 1967 und dem anschließenden Besuch einer kaufmännischen Privatschule bildete sich der Kläger seit 1972 kontinuierlich auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung fort. Die Kenntnisse für seine verschiedenen Positionen im EDV-Bereich bis hin zu den Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich Datenbankadministration, Datenbankdesign, Systemprogrammierung, Projektleitung, Rechenzentrum-Untersuchung, Anwendungsdesign und Anwendungsentwicklung erwarb sich der Kläger neben dem Selbststudium durch die Teilnahme an diversen Seminaren der Firmen A, B und C GmbH.

Nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit in 1997 war der Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 im Auftrag der D GmbH und der A Hamburg/E GmbH mit der Planung, Konstruktion und Überwachung von IT-Projekten bei Banken, Versicherungen, Handelsbetrieben und der Öffentlichen Verwaltung befasst. Diese Tätigkeiten umfassten die Installation verschiedenartiger SAP-Systeme, die Korrekturen von SAP-Systemen, die Einweisung und Beratung von Systemprogrammierern/Systemtechnikmitarbeitern in die DB2-Datenbankadministration, die Einrichtung und Verwaltung von allgemeinen DB2-Systemen, den Releasewechsel/Upgrade von DB2-Systemen, die Performance-Analyse und das Tuning von DB2-Systemen, die Unterstützung der Anwendungsentwicklung bei der Durchführung von Optimierungsmaßnahmen, die Erstellung standardisierter Sicherungs- und Wiederherstellungsverfahren und die Anpassung von DB2-Systemparametern/DB2-Systemdateien an die aktuellen Erfordernisse.

Der Beklagte erließ gegen den Kläger unter dem 11.11.1999 und 30.01.2001 für die Streitjahre Gewerbesteuermessbetragsbescheide. Auf die hiergegen erhobenen Einsprüche vom 07.12.1999 und 31.01.2001, mit denen der Kläger geltend machte, eine ingenieurähnliche und also freiberufliche Tätigkeit auszuüben, entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02.05.2002. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht mit der eines Ingenieurs bzw. Diplom-Informatikers vergleichbar. Der Kläger habe weder nachgewiesen, über Kenntnisse in der Breite und Tiefe eines Diplom-Informatikers zu verfügen, noch dass er ausschließlich im Bereich der Entwicklung von Systemsoftware tätig gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die am 30.05.2002 erhobene Klage. Er, der Kläger, sei nicht gewerbesteuerpflichtig, weil seine Qualifikation und seine Tätigkeit als selbständiger Systemberater der eines Ingenieurs bzw. Informatikers i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entsprächen. Als Autodidakt arbeite er seit 1972 im EDV-Bereich und zähle - vergleichbar dem Urteilsfall des FG Niedersachsen vom 14.05.2003 (EFG 2004, 1059) und ausweislich der erstellten Ausbildungsdokumentation - zu den Pionieren der EDV-Entwicklung. Des Weiteren verlange der BFH, dass der freiberufliche EDV-Berater auf dem Gebiet der Entwicklung komplexer Anwendersoftware bzw. der Systemsoftware tätig sein müsse, wobei hierzu das Betriebssystem selbst, Hilfs- und Dienstprogramme, Compiler, Übersetzer, Datenbanksysteme und als weitere Teilgebiete die Datenfernübertragungssoftware, Programmiersprachen, Hardwarekonfiguration und Datenübertragungsnetze gehörten (vgl. BFH-Urteile vom 07.12.1989, BStBl II 1990, 338; vom 07.11.1991, BStBl II 1993, 324; vom 04.05.2004, BStBl II 2004, 989). In diesen Bereichen sei er, der Kläger, ganz überwiegend tätig, was die Projekt- und Tätigkeitsbeschreibungen belegen würden.

Der Kläger beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 02.05.2002 und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 1998 und 1999 vom 11.11.1999 und 30.01.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Das Gericht hat über die Art der vom Kläger in den Streitjahren ausgeübten Tätigkeit Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens zu folgendem Beweisthema: "Ob die berufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren als selbständiger EDV-Berater im Gesamtbild (oder in einem abgrenzbaren Tätigkeitsbereich) derjenigen eines an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprach und somit als freiberufliche Tätigkeit zu qualifizieren ist."

In seinem Gutachten führt der Sachverständige u. a. aus: "Zwar ist ein Vergleich mit den gesamten Kenntnissen eines Dipl. Inform...

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