rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrecht: EuGH-Vorlage zur Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten in Spielhallen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kasseninhalt als Bemessungsgrundlage bei Spielgeräteumsätzen verstößt gegen den Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteuer. Es ist klärungsbedürftig, ob er gleichwohl eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage darstellt.

2. Es ist ungeklärt, ob die Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer Voraussetzung ihrer Erhebung ist, insbesondere bei bruttopreisbegrenzenden Rechtsvorschriften.

3. Es ist wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer zweifelhaft, ob die Umsatzsteuer betragsgenau auf eine nationale, nicht harmonisierte Sonderabgabe angerechnet werden darf.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11 .2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

2. nur falls ja zu 1.:

Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

3. Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

4. nur falls ja zu 3.:

Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

5. Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:

Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:

Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

8. Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

9. nur falls ja zu 8.:

Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

 

Normenkette

RL 2006/112/EG Erwägungsgrund 4; RL 2006/112/EG Art. 1 Abs. 2, Art. 73, 135 Abs. 1, Art. 401; UStG § 4 Nr. 9b, § 10 Abs. 1; GewO § 33f; SpielV § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 1; Hamburgisches Spielbankgesetz § 3 Abs. 2; SpielbG SH § 4 Abs. 1 S. 2; SpbG M-V § 7 Abs. 7 S. 2; FGO § 69 Abs. 6

 

Gründe

A.

Sachverhalt und Streitstand

I. 1.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2010 in sieben Spielhallen in den deutschen Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg wird eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügung-steuer (kommunale Aufwandsteuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (z. B.: Gemeinde Burg (Schleswig-Holstein) 7 % der Kasseneinnahmen; Gemeinde Ratzeburg (Schleswig-Holstein) 12 % der Kasseneinnahmen, seit 2012 mindestens 25 € pro Gerät; Gemeinde Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) 10 % der Kasseneinn...

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