Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbrauchsteuerrecht: Vorabentscheidungsersuchen - Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Kernbrennstoffsteuergesetz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verfahren wird bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Frage: Berechtigt Art. 267 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Buchst. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Gericht eines Mitgliedstaats, Fragen, die ihm im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit eines nationalen Gesetzes über die Auslegung von Unionsrecht gestellt werden, auch dann dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen, wenn das Gericht nicht nur einerseits Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit des Gesetzes hat, sondern andererseits auch zur Überzeugung gelangt ist, das nationale Gesetz widerspreche der nationalen Verfassung, und deswegen in einem Parallelfall bereits das nach nationalem Recht allein zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen befugte Verfassungsgericht angerufen hat, dessen Entscheidung aber noch nicht vorliegt? Sofern die 1. Frage bejaht wird, ersucht der Senat den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Fragen:

2. Frage: Stehen die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien RL 2008/118/EG und RL 2003/96 /EG der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen? Kommt es darauf an, ob erwartet werden kann, dass die nationale Steuer über den Strompreis auf den Verbraucher abgewälzt werden kann, und was ist gegebenenfalls unter Abwälzung zu verstehen?

3. Frage: Kann sich ein Unternehmen gegen eine Steuer, die ein Mitgliedstaat zur Erzielung von Einnahmen auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom erhebt, mit dem Einwand wehren, die Erhebung der Steuer stelle eine unionsrechtswidrige Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV dar? Sofern die vorstehende Frage bejaht wird: Stellt das deutsche Kernbrennstoffsteuergesetz, nach dem zur Erzielung von Einnahmen eine Steuer nur von solchen Unternehmen erhoben wird, die gewerblich Strom unter Verwendung von Kernbrennstoffen erzeugen, eine staatliche Beihilfemaßnahme im Sinne des Art. 107 AEUV dar? Welche Umstände sind bei der Prüfung beachtlich, ob sich andere Unternehmen, bei denen Steuern nicht in gleicher Weise erhoben werden, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden?

4. Frage: Steht die Erhebung der deutschen Kernbrennstoffsteuer im Widerspruch zu den Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV)?

 

Normenkette

AEUV Art. 107, 267; AEGV Art. 1, 2 Buchst. b), Art. 52 Abs. 2 Buchst. a), Art. 86-87, 93; AEGV Art 191; AEGV Art. 192; RL 2008/118/EG Art. 1 Abs. 1; RL 2003/96/EG Art. 2, 14 Abs. 1 Buchst. a; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 04.06.2015; Aktenzeichen C-5/14)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten unter anderem über die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz im Einklang mit europäischem Recht steht.

1. In Deutschland ist zum 01.01.2011 das Kernbrennstoffsteuergesetz (BGBl I 2010, 1804 - KernbrStG -) in Kraft getreten. Das Gesetz wurde vom Bundestag ohne Beteiligung des Bundesrats unter Berufung auf seine Kompetenz zum Erlass von Verbrauchsteuergesetzen erlassen. Nach dem Kernbrennstoffsteuergesetz unterliegt Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, im Steuergebiet der Kernbrennstoffsteuer (KernbrSt). Die Steuer entsteht dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. Nach der Begründung des in der Folge verabschiedeten Gesetzentwurfs dient die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer der Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen zur Haushaltskonsolidierung des Bundes.

2. Die Klägerin betreibt in der Stadt A das Kernkraftwerk "B". Im Juni 2011 setzte die Klägerin Brennelemente in den Kernreaktor ein und löste anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion aus.

In ihrer Steueranmeldung gegenüber dem beklagten Hauptzollamt vom 13.07.2011 berechnete die Klägerin einen Betrag von EUR … als Kernbrennstoffsteuer gemäß den Regelungen des Kernbrennstoffsteuergesetzes.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 30.11.2011 Klage erhoben. Neben verschiedenen formellen und materiellen verfassungsrechtlichen Einwänden macht die Klägerin geltend, das Kernbrennstoffsteuergesetz stehe im Widerspruch zu europarechtlichen Vorschriften. Sie wendet insbesondere ein, - dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96 /EG (Energiesteuerrichtlinie) i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) RL 2008/118/EG (Verbrauchsteuersystemrichtlinie) in analoger Anwendung dem Kernbrennstoffsteuergesetz en...

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