Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung ausländischer Steuerschulden - Übersendung des Vollstreckungstitels im elektronischen Rechtsverkehr

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der dem Beitreibungsersuchen in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie beizufügende ausländische Vollstreckungstitel im elektronischen Rechtsverkehr durch Email als Dateianhang übersandt werden kann.

 

Normenkette

EG-BeitrG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EGRL 2008/55/EG Art. 7 Abs. 1; EGRL 2008/55/EG Art. 22; EGV 1179/2008 Art. 21 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 30.08.2010; Aktenzeichen VII B 48/10)

BFH (Beschluss vom 30.08.2010; Aktenzeichen VII B 48/10)

 

Tatbestand

A.

I.

  1. Der in Hamburg wohnhafte Antragsteller (Ast.) war alleiniger Geschäftsführer (administrador único) der spanischen Gesellschaft "A", einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung spanischen Rechts (sociedad de responsabilidad limitada), ansässig im B (Balearen).

    Mit Haftungsbescheid (Acuerdo de Derivación de Responsabilidad) vom 19. November 2007 nahm das örtliche Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln den Ast. wegen rückständiger Körperschaftsteuer 2000 (impuesto sobre sociedades) in Höhe vom 177.612,47 € in Anspruch (105.425,86 € Steuer zur Rechnungsnummer [clave de liquidación] A......5 und 72.186,61 € Strafzuschlag zur Rechnungsnummer A......6, Anlageband Anlage AS 8). Der Bescheid wurde dem Ast. nach seinen Angaben am 20. November 2007 zugestellt. Hiergegen erhob der Ast. am 06. Februar 2008 Steuerbeschwerde (Anlageband Anlage AS 4), die mangels Abhilfe in einen Rechtsstreit vor dem regionalen Finanzgericht der Balearen mündete, der noch nicht abgeschlossen ist.

  2. Am 01. Februar 2008 erließ das Regionalfinanzamt der Balearen mangels Zahlung eine Vollstreckungsanordnung (Providencia de Apremio) über 126.511,03 € (105.425,86 € Steuer und 20 % Säumniszuschlag 21.085,17 €) (Anlageband Fach 22. Januar 2010). Die Vollstreckungsanordnung ist vom Leiter des Regionalfinanzamtes (El Jefe de la Dependencia Regional de Recaudación) unterschrieben und weist als Rechnungsnummer (clave de liquidación) A......5 aus. Die Vollstreckungsanordnung wurde dem Rechtsanwalt des Ast. am 15. Februar 2008 um 11.50 Uhr zugestellt (Finanzgerichtsakte - FG-A - Bl. 121).

II.

  1. Mit Email vom 22. Juni 2009 10.58 Uhr (FG-A Bl. 108) übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in C (Spanien) über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der Email waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die oben I.2. genannte Vollstreckungsanordnung und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG" (Finanzamtsvorgang - Vorg - Bl. 1-8). In diesem Formular sind u. a. folgende Kästchen angekreuzt:

    • Forderung ist nicht älter als 5 Jahre
    • Forderung ist Gegenstand eines Vollstreckungstitels
    • Forderung ist angefochten, aber die Gesetze, Verordnungen und die Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates erlauben die Beitreibung einer angefochtenen Forderung
    • im ersuchenden Staat wurden bereits ordnungsgemäße Beitreibungsmaßnahmen durchgeführt, die jedoch nicht zu einer vollständigen Tilgung der Forderungen führen werden
    • Ratenzahlung nur nach Rücksprache zulässig
    • betroffene Person ist Hauptschuldner

    Das beigefügte pdf-Dokument wurde wie folgt identifiziert:

    "Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-......5".

    Weiter wurden folgende Angaben gemacht:

    Festsetzungsdatum: 17.09.2004

    Zustellungsdatum: 02.11.2007

    Hauptforderung: 126.511,03 €

    Bis zum Datum des Ersuchens angefallene Zinsen: 8.552,49 €

    Gesamtbetrag: 135.063,52 €

    Datum, ab dem die Vollstreckung zulässig ist: 20.02.2008

    Letzter Tag der Verjährungsfrist: 15.04.2012

  2. Das Bundeszentralamt leitete die Email an die Hamburger Finanzbehörde weiter, die diese wiederum mit Email vom 23. Juli 2009 9:23 Uhr an das antragsgegnerische Finanzamt - Ageg. - weiterleitete (Vorg Bl. 9)

III.

  1. Der Ageg. erließ am 24. Juli 2009, abgesandt am 27. Juli 2009, eine Zahlungsaufforderung an den Ast. über 135.063,52 €, zu zahlen bis 10. August 2009. Darin wird ausgeführt, der Ast. schulde der "spanischen Steuerbehörde" "Einkommensteuer 2000" 126.511,03 € und "Nebenleistungen" 8.552,49 €. Weitere Angaben, z. B. eine Steuer- oder Rechnungsnummer, sind in der Zahlungsaufforderung nicht enthalten (Vorg Bl. 12).
  2. Gegen die Zahlungsaufforderung legte der Ast. mit Schreiben vom 21. August 2009, eingegangen am 25. August 2009, Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Das Leistungsgebot habe keine Rechtsgrundlage. Eine vorherige Anhörung sei nicht erfolgt, die erforderliche Begründung des Entschlusses zur Amtshilfe fehle. Der zu vollstreckende Steuerbescheid sei nicht klar konkretisiert, hierzu sei die Angabe von Steuernummer, Veranlagungsjahr, Steuerart und Steuerschuldner erforderlich. Das Leistungsgebot sei daher zu unbestimmt. Außerdem seien keine Angaben enthalten über den Zugang des spanischen Rechtshilfeersu...

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