vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerermäßigung nach § 35b EStG: Unterscheidung zwischen Schenkungen und Erwerben von Todes wegen – Begünstigung einzubeziehender Vorerwerbe des Erben – Berücksichtigung des persönlichen Steuerfreibetrags nach § 16 ErbStG bei der Höhe des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. § 35b Satz 1 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Schenkungen und Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge werden auch dann nicht durch die Steuerermäßigung nach § 35b EStG nicht begünstigt, wenn sie als Vorerwerbe im Rahmen der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG bei der Erbschaftsbesteuerung zu berücksichtigen sind.
  2. Diese Gesetzesauslegung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
  3. Bei der Berechnung der Einkünfte, für die die Steuerermäßigung nach § 35b Satz 1 EStG in Betracht kommt, mindert der persönliche Steuerfreibetrag nach § 16 ErbStG nicht die Vermögensteile, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben.
 

Normenkette

EStG § 35b; ErbStG § 14 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.03.2018; Aktenzeichen IX R 23/17)

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechnung der Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer nach § 35b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Jahr 2011.

Die Kläger wurden für das Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger und sein Vater gründeten mit notariellem Vertrag vom 28.11.2008 die H GmbH (im Folgenden: GmbH), die am 9.2.2009 in das Handelsregister eingetragen wurde. Im Rahmen der Gründung brachte der Vater des Klägers sein Einzelunternehmen in die GmbH ein, an welcher der Kläger zu 49 % beteiligt war, der Vater zu 51 %. Dieser Vorgang wurde dem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt erklärt. Schenkungsteuer fiel aufgrund des persönlichen Freibetrags nicht an.

Am 5.7.2009 starb der Vater. Infolge eines Vermächtnisses wurde auf den Kläger ein weiterer Anteil an der GmbH von 26 % übertragen. Sein Bruder schlug das auf ihn entfallende Vermächtnis aus, sodass der Kläger als Ersatz-Vermächtnisnehmer letztlich auch den restlichen Geschäftsanteil von 25 % erhielt.

Im Streitjahr 2011 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an einen fremden Erwerber und erzielte einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG i.H.v. 786.167 €.

Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 30.12.2013 wurde die Erbschaftsteuer des Klägers auf 28.336 € festgesetzt. Dabei wurden die Vorgänge wie folgt der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen:

Erwerb durch Vermächtnis (GmbH-Anteil)

322.570 €

Steuerbefreiung nach § 13a des Erbschaft- und

Schenkungsteuergesetzes (ErbStG)

- 53.040 €

Erwerb von Todes wegen 2

69.530 €

Gesamtwert der Vorerwerbe (§ 14 ErbStG)

+ 388.080 €

Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG

- 400.000 €

steuerpflichtiger Erwerb (Bemessungsgrundlage)

257.600 €

x Steuersatz von 11 %

= 28.336 €.

Der Beklagte gewährte mit Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 16.6.2014 antragsgemäß die Steuerermäßigung bei einer Belastung mit Erbschaftsteuer nach § 35b EStG i.H.v. 13.809 €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach erneuter Überprüfung war der Beklagte der Auffassung, dass die Steuerermäßigung auf 4.412 € zu kürzen sei, weil die der Erbschaftsteuer unterworfenen Einkünfte nicht - wie im Vorbescheid - mit dem einkommensteuerlichen Veräußerungsgewinn von 786.167 €, sondern mit der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage von 257.600 € zu berücksichtigen seien. Nach Anhörung der Kläger wurde die Einkommensteuerfestsetzung für 2011 mit Bescheid vom 28.8.2015 entsprechend geändert.

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie geltend machten, der Zweck des § 35b EStG bestehe darin, Härten zu mildern, die sich aus der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ergäben. Deshalb seien die Einkünfte, für die die Steuerermäßigung in Betracht komme, mit 657.600 € (erbschaftsteuerlicher Wertansatz vor Abzug des persönlichen Steuerfreibetrages nach § 16 Abs. 1 ErbStG) anzusetzen.

Im Einzelnen berechneten die Kläger (Bl. 20 der Gerichtsakte -GA-) und der Beklagte (laut Schreiben vom 10.9.2015; ESt-Akte; vgl. Bl. 19 d. GA) jeweils den Ermäßigungsbetrag nach § 35b EStG wie folgt:

1. Begünstigte, mit Erbschaftsteuer belasteter Einkünfte

steuerpflichtiger Erwerb laut Erbschaftsteuerbescheid

257.600 €

2. Ermittlung des Prozentsatzes nach § 35b Satz 2 EStG

Festgesetzte Erbschaftsteuer

28.336 €

im Verhältnis zum Erwerb zuzüglich Freibetrag

657.600 €

= durchschnittlicher Erbschaftsteuersatz

4,31 %

3. Ermittlung der Einkommenssteuer, die auf Einkünfte nach § 35b Satz 1 EStG entfällt/Auf tariflich besteuerte Einkünfte entfallende Einkommensteuer

Beklagter:

Einkünfte, für die die Steuerermäßigung in Betracht kommt

257.600 €

(Kläger: + Freibetrag i. H. v. 400.000

€ 657.600 €)

x

um Steuerermäßigung gekürzte tarifliche Einkommensteuer

382.826 €

: Summe der Einkünfte

963.292 €

= Einkommensteuer auf begünstigte Einkünfte

Beklagter:

102.373 €

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