Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorzeitige Anforderung der Steuererklärung und fehlerhafte Ermessensentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Anforderung der Steuererklärung 2010 vor Ablauf der nach dem Erlass der obersten Finanzbehörden vom 3.1.2011 (BStBl I 2011, 44) für steuerlich beratene Steuerpflichtige allgemein verlängerten Frist zum 31.12.2011 ist ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde zur Begründung ihrer Entscheidung keine konkreten Ermessenserwägungen anstellt, die sich an den in Abschnitt II Absatz 2 Satz 2 des Erlasses vom 3.1.2011 aufgezählten Tatbeständen orientieren und die im Einzelfall gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigen.

 

Normenkette

AO § 109 Abs. 1 S. 1, § 149 Abs. 2 S. 1; FGO § 102

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Der Beklagte forderte die steuerlichen Berater der Kläger mit Schreiben vom 21.3.2011 auf, die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 bis zum 30.9.2011 abzugeben,

„... weil aufgrund der Höhe der Einkünfte mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen zu rechnen...” sei.

Die Kläger erhoben dagegen am 29.4.2011 Einspruch und baten um eine nähere Begründung. Der Beklagte wies den Einspruch - ohne weiteren Schriftwechsel - mit Einspruchsentscheidung vom 21.6.2011 als unbegründet zurück.

In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte aus, unter Berücksichtigung des Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder vom 3.1.2011 (Erl. FinMin NRW, S 0320-1-V-A, BstBl I 2011, 44) sei die Frist zur Abgabe der Steuererklärung für steuerlich beratene Steuerpflichtige zwar allgemein, also regelmäßig und ohne Angabe von Gründen, bis zum 31.12. des Folgejahres verlängert. Im Einzelfall bestehe jedoch sowohl die Möglichkeit, die Frist über den 31.12. zu verlängern als auch schon vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist die Erklärung anzufordern. Damit werde der zuständigen Finanzbehörde im Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt, die gesetzliche Abgabefrist (zum 31.5. des Folgejahres) unter Berücksichtigung besonderer Gründe sowie der eigenen Arbeitssituation (Stand der Veranlagungsarbeiten) zu verlängern. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei die Entscheidung im Fall der Kläger, die Frist zur Abgabe der Steuererklärung nicht bis zum 31.12.2011, sondern nur bis zum 30.9.2011 zu verlängern, sachgerecht. Vorliegend sei zu berücksichtigen,

„...dass die Einspruchsführer in den vergangenen Veranlagungszeiträumen hohe Einkünfte erzielt haben mit der Folge, dass der Spitzensteuersatz ausgelöst wurde. Für den Veranlagungszeitraum 2010 ist trotz Herabsetzung der festgesetzten Vorauszahlungen ebenfalls von der Anwendung des Spitzensteuersatzes auszugehen. Sollten sich gegenüber den festgesetzten Vorauszahlungen Abweichungen ergeben, fällt wegen der Anwendung des Spitzensteuersatzes auch bei betragsmäßig geringer Veränderung der Besteuerungsgrundlagen die steuerliche Auswirkung sowohl zugunsten als auch zuungunsten der Einspruchsführer überdurchschnittlich hoch aus. Auch die festgesetzten Vorauszahlungen ändern hieran nichts, schließlich beruhen diese nur auf vorläufigen und überschlägigen Ermittlungen der Einkommensteuerschuld … und wurden auf Antrag der Einspruchsführer herabgesetzt....”.

Dagegen haben die Kläger Klage erhoben mit der sie geltend machen, die Anforderung der Steuererklärung zum 30.9.2011 sei ermessensfehlerhaft. Die allgemeine und regelmäßige Fristverlängerung für die Abgabe von Steuererklärungen von steuerlich beratenen Steuerpflichtigen bis zum 31.12. des Folgejahres nach dem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder (s.o.) diene dem Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten. Ebensowenig wie die Finanzbehörden seien die steuerlichen Berater in der Lage, alle Steuererklärungen bis zum 31.5. eines Jahres zu bearbeiten; weder die eine noch die andere Seite könnten die anfallenden Arbeiten als „Stoßgeschäft” erledigen. Die seit Jahren regelmäßig gewährte allgemein verlängerte Abgabefrist zum 31.12. des Folgejahres und insbesondere deren Verlässlichkeit diene dem steuerlichen Berater dazu, seine Betriebsorganisation entsprechend zu gestalten und für eine gleichmäßige Bearbeitung aller von ihm zu bearbeitenden Steuerfälle zu sorgen. In dieser Weise hätten auch die steuerlichen Berater der Kläger ihren Betrieb organisiert, nämlich alle Erklärungsarbeiten bis zum 31.12. des Folgejahres durchzuführen. Mit seiner jetzigen Vorgehensweise greife der Beklagte massiv in diese Betriebsabläufe ein. Ein vorrangiges Interesse des Beklagten, das dieses Vorgehen im Streitfall rechtfertigen könnte, sei nicht zu erkennen.

Die Kläger beantragen,

den Anforderungsbescheid vom 21.3.2011, bestätigt durch die Einspruchsentscheidung vom 21.6.2011, aufzuheben; hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen; hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zur Klagebegründung Stellung genommen. Er führt aus, die Kläger hätten mit dem angefochtenen Schreiben bereits eine Fristverlä...

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