Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung wegen neuer Tatsachen: Grobes Verschulden bei Irrtum über den Inhalt einer atypischen Steuerbescheinigung – Unschädlichkeit einfacher Fahrlässigkeit – Unvollständige Beantwortung einer Frage im Steuererklärungsformular

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Legt der Steuerpflichtige bei der Erklärung der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähigen Schuldzinsen irrtümlich eine Bankbescheinigung zugrunde, die abweichend von der bisher üblichen Verfahrensweise lediglich die Zinszahlungen im 1. Quartal ausweist, liegt hierin kein die Grenze von der einfachen zur groben Fahrlässigkeit überschreitendes grobes Verschulden, das eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen der nachträglich von der Bank mitgeteilten zusätzlichen Schuldzinsen für die weiteren Quartale des Jahres ausschließt.
  2. Geht der Steuerpflichtige dabei fälschlich von der Annahme aus, dass die Zinsbescheinigung – wie im Regelfall auch üblich – das ganze Jahr abdeckte, kann dies nicht als unvollständige Beantwortung einer im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellten Frage eingeordnet werden (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 28. Juli 2011 IX B 47/11, BFH/NV 2012, 1).
 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.09.2015; Aktenzeichen IX B 44/15)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Rechtsanwältin und als solche im Bereich des Unternehmensrechts tätig. Im Jahr 2012 fertigte sie - erstmals eigenständig - ihre Steuererklärung für das Jahr 2011 an. Im Hinblick auf eine von ihr vermietete Eigentumswohnung erklärte sie dabei auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Als Werbungskosten gab sie dabei u.a. Schuldzinsen für zwei Darlehen zur Finanzierung der vermieteten Wohnung in Höhe von insgesamt 2.059,75 Euro an. Damit übertrug sie in ihre Steuererklärung die Werte zweier Steuerbescheinigungen, welche ihr die finanzierende A-Bank über gezahlte Schuldzinsen hinsichtlich der beiden Darlehen zugesandt hatte. Laut Betreffzeile waren diese Bescheinigungen jeweils für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 ausgestellt worden.

Der Beklagte erließ am 1. August 2012 gegenüber der Klägerin den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte der Beklagte erklärungsgemäß mit einem Verlust in Höhe von 431 Euro.

Am 15. Februar 2013 erhielt die Klägerin aufgrund einer "technischen Umstellung" von ihrer Bank zwei Darlehenskontoauszüge mit der Aufstellung der im Zeitraum 1. April 2011 bis 31. Dezember 2011 gezahlten Schuldzinsen in Höhe von insgesamt 6.167,15 Euro.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben ebenfalls vom 15. Februar 2013 beim Beklagten, diese Schuldzinsen im Steuerbescheid für 2011 zusätzlich zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 28. Februar 2013 lehnte der Beklagte eine Änderung ab.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, welchen der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2013 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin hat am 4. November 2013 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vorlägen. Die weiteren Schuldzinsen seien ihr erst nachträglich bekannt geworden. Es läge auch kein grobes Verschulden ihrerseits am nachträglichen Bekanntwerden vor. Seit dem Erwerb der vermieteten Eigentumswohnung habe sie zum ersten Mal die Steuererklärung selbst gefertigt. Sie habe für die Anfertigung der Steuererklärung die gleichen Belege herangezogen, die sie in den Vorjahren ihrem Steuerberater habe zukommen lassen. Da in den Vorjahren die gesamten Schuldzinsen des jeweiligen Jahres in der Zinsbescheinigung ausgewiesen worden seien, habe sie auch für das Streitjahr davon ausgehen können. Eine technische Umstellung seitens der Bank habe sie nicht vorhersehen können. Außerdem habe sie die zweite Bescheinigung nicht kurz nach Abgabe der Steuererklärung, sondern erst über ein Jahr später erhalten.

Aus der Tatsache, dass sie Juristin sei, könne kein grobes Verschulden abgeleitet werden. Sie habe zum einen keine steuerrechtliche Vorbildung. Zum anderen gehe es vorliegend auch nicht um eine Rechtsfrage, bei der die persönliche Qualifikation entscheidend wäre, sondern vielmehr um ein bloßes Übertragen der Werte aus einer Bescheinigung in die Steuererklärung, wofür kein Fachwissen erforderlich sei. Dabei sei ihr eine bloße Nachlässigkeit passiert.

Bei den Schuldzinsen handele es sich zwar um wiederkehrende Werbungskosten, solange das Darlehen finanziert werde. Jedoch seien die Beträge nicht konstant gewesen. Sie habe nicht ihre Sorgfaltspflicht verletzt, wenn sie nicht wisse, wie hoch der monatliche Tilgungs- bzw. Zinsanteil sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28. Februar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2013 den Beklagten zu verpflichten, den Eink...

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