Entscheidungsstichwort (Thema)

Negativer Widerstreit i.S.d. § 174 Abs. 3 AO – Unrichtige Zuordnung regelmäßig wiederkehrender Ausgaben i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG – Positive Kenntnis des FA vom Nichtabzug einer Betriebsausgabe im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit – Übernahme einer Fehlvorstellung des Steuerpflichtigen – Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO – Grobes Verschulden des Steuerberaters

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird bei einem seinen Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG ermittelnden Stpfl. die am 8.1.2013 abgeflossene Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 entgegen § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG als Betriebsausgabe des Jahres 2013 erklärt und veranlagt, begründet die antragsgemäße Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2013 zuungunsten des Stpfl. wegen dieses Vorauszahlungsbetrages keinen Anspruch auf eine korrespondierende Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2012 nach § 174 Abs. 3 AO, wenn der zuständige Amtsträger des FA bei dem Erlass des Bescheides für 2012 keine positive Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhaltes hatte und daher ein Handeln in der erkennbar irrigen Annahme, dass die Betriebsausgabe im Folgejahr zu berücksichtigen sei, nicht in Betracht kommt.
  2. Mangels Kenntnis des Sachverhaltes kann das FA in diesem Fall keine Fehlvorstellung des Steuerpflichtigen als eigene übernehmen.
  3. Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2012 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO scheidet wegen des insoweit zurechenbaren groben Verschuldens aus, wenn der Stpfl. sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung eines steuerlichen Beraters bedient hat.
 

Normenkette

AO §§ 129, 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.05.2017; Aktenzeichen X R 45/16)

BFH (Urteil vom 17.05.2017; Aktenzeichen X R 45/16)

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG durch Einnahme-/Überschussrechnung. Die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 in Höhe von 4.478 EUR wurde am 8.1.2013 gezahlt. Dieser Betrag war in der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2012, die zusammen mit der Steuererklärung von dem damaligen Steuerberater angefertigt und elektronisch übermittelt worden war, nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurde mit Einkommensteuerbescheid 2013 der Gewinn aus Gewerbebetrieb zunächst mit Bescheid vom 9.4.2015 in Höhe von 150.000 EUR geschätzt. Hiergegen erhoben die Kläger am 8.5.2015 Einspruch und übermittelten am 27.5.2015 eine Steuererklärung. Hierin erklärte der Kläger einen gewerblichen Gewinn von 126.333 Euro. Bei der Ermittlung des Gewinns wurde die Umsatzsteuervorauszahlung November 2012 von 4.478 EUR berücksichtigt. Mit Bescheid vom 23.6.2015 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2013 und berücksichtigte den gewerblichen Gewinn in der erklärten Höhe. Mit Schreiben vom 14.8.2015 beantragten die Kläger den Gewinn für 2013 auf 127.241 Euro herabzusetzen. An Stelle der bisher als Betriebsausgabe berücksichtigten Umsatzsteuer-Vorauszahlung November 2012 in Höhe von 4.478 Euro sei die Umsatzsteuer-Vorauszahlung November 2013 in Höhe von 3.570 Euro abzuziehen. Der Beklagte änderte am 01.09.2015 den Einkommensteuerbescheid 2013 entsprechend.

Am 17.09.2015 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012. Das Finanzamt habe die Umsatzsteuer-Vorauszahlung November 2012 nicht als Betriebsausgabe für 2013 angesetzt und den Gewinn 2013 entsprechend erhöht. Die Zahlung für November 2012 von 4.478 Euro sei aber als gewinnmindernde Betriebsausgabe im Jahre 2012 anzusetzen.

Mit Bescheid vom 30.09.2015 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, verfahrensrechtlich sei eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2012 nicht möglich. § 173 AO greife nicht ein. Zwar handele es sich bei dem Vorbringen, dass die Umsatzsteuer-Vorauszahlung kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres fällig gewesen und abgeflossen sei, um eine neue, nachträglich bekannt gewordene Tatsache. Die Änderung sei aber auf Grund groben Verschuldens der Kläger ausgeschlossen. In den Erläuterungen zur Anlage EÜR befinde sich ausdrücklich der Hinweis, dass eine innerhalb von 10 Tagen nach Beginn des Kalenderjahres fällige und entrichtete Umsatzsteuer-Vorauszahlung im Vorjahr als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei. Vor diesem Hintergrund könne dem Steuerpflichtigen grundsätzlich grobes Verschulden entgegengehalten werden, wenn er die Umsatzsteuer-Vorauszahlung nicht zutreffend berücksichtigt habe. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich der Steuerpflichtige der Hilfe eines Steuerberaters bedient habe. An einen Steuerberater seien höhere Anforderungen an die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu stellen; der Steuerpflichtige müsse sich dessen Sorgfaltspflichtverletzung zurec...

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