Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages nach § 163 AO – Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages nach § 163 AO auf der Grundlage des Sanierungserlasses (BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl I 2003, 240) ist nicht die hebeberechtigte Gemeinde, sondern das Finanzamt zuständig.
  2. Die Zuständigkeitsregelung in Rd. 15 des Sanierungserlasses betrifft ausschließlich die Stundung und den Erlass nach §§ 222, 227 AO, nicht aber die abweichende Steuerfestsetzung gem. §§ 163, 184 AO.
  3. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses bestehen nicht (Anschluss an BFH-Urteil vom 14.7.2010, X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916).
 

Normenkette

AO § 163 Abs. 1, § 184 Abs. 2, § 227; EStG § 3 Nr. 66

 

Streitjahr(e)

2003

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2012; Aktenzeichen I R 24/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2003 nach § 163 AO im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen vom 27.3.2003 (IV A 6-S 2140-8/03 BStBl I 2003, 240; im Folgenden: Sanierungserlass) abweichend festzusetzen.

Bereits mit Einreichung der Steuererklärungen für 2003 beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 11.1.2005 eine abweichende Festsetzung von Steuern nach § 163 Abs. 1 AO sowie einen Erlass von Steuern nach §§ 222, 227 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen. Sie trug vor, in dem Gewerbeertrag 2003 von 2.062.100 EUR sei ein Sanierungsgewinn aus dem Erlass von Bankschulden in Höhe von 5.462.906 EUR enthalten. Zum Zwecke einer Sanierung hätten verschiedene Banken auf Forderungen verzichtet. Hierdurch seien die Voraussetzungen für einen Steuerlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach dem Sanierungserlass erfüllt.

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 3.6.2005 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 auf 103.105 EUR fest. Die Klägerin erhob am 10.6.2005 Einspruch und beantragte unter Bezugnahme auf den Antrag vom 11.1.2005 erneut eine abweichende Festsetzung von Steuern nach § 163 Abs. 1 AO i.V.m. § 184 Abs. 2 AO auf 0 EUR. Nach Aufforderung legte die Klägerin weitere Unterlagen über die Vereinbarungen mit den Banken, einschließlich eines Restrukturierungskonzeptes vor. In einem Bericht an die OFD Rheinland vom 18.1.2006 vertrat der Beklagte die Auffassung, es liege ein Sanierungsgewinn i.S.d. Erlasses vom 27.3.2003 vor und bat um Zustimmung zu einer abweichenden Festsetzung des Messbetrages gem. § 163 AO. In ihrer Antwort vom 7.2.2006 vertrat die OFD Rheinland die Ansicht, der Sanierungserlass regele in Rd. 15 in Bezug auf die Gewerbesteuer, dass für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer die Gemeinde zuständig sei; dies entspräche der Regelung in Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 7 der GewStR 1998. Demnach habe die Gemeinde im Rahmen der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliege. Im Rahmen der Erteilung des Messbetragsbescheides habe das Finanzamt die Gemeinde auch über die tatsächlichen Grundlagen einer möglicherweise abweichenden Festsetzung des Gewerbeertrages und die Höhe eines Sanierungsgewinnes zu benachrichtigen (§ 184 Abs. 3 AO). Der Auffassung des Beklagten, dass ein Sanierungsgewinn i.S.d. BMF-Schreibens vorliege, stimmte die OFD Rheinland ausdrücklich zu.

Mit Schreiben an die Stadt X vom 20.3.2006 teilte der Beklagte der Gemeinde mit, dass nach seinen Erkenntnissen im Jahre 2003 ein Sanierungsgewinn in Höhe von 5.462.906 EUR vorliege. Weiter heißt es in dem Schreiben, die Unterrichtung erfolge ohne rechtliche Bindung. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.3.2006 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2003 unter Hinweis auf die fehlende Befugnis des Finanzamtes nach Randnummer 15 des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 als unbegründet zurück.

Mit Bescheid vom 13.8.2007 lehnte der Bürgermeister der Stadt X einen Erlass der Gewerbesteuer ab. Der hiergegen erhobenen Widerspruch vom 28.8.2007 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.2010 als unbegründet zurückgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, dass Gründe der Unbilligkeit bereits im Festsetzungsverfahren durch das Finanzamt zu prüfen seien und dass Billigkeitsgründe, die bereits in diesem Festsetzungsverfahren hätten berücksichtigt werden können, einen Erlass der Gewerbesteuer nach § 227 AO nicht rechtfertigen könnten. Zudem habe das Finanzgericht München mit Urteil vom 12.12.2007 (Az. 1 K 4487/06) entschieden, dass der Erlass des BMF vom 27.3.2003 die gesetzliche Abschaffung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen nach § 3 Nr.66 EStG a.F. umgehe und daher rechtswidrig sei. Die Klägerin erhob gegen den ablehnenden Bescheid vom 13.8.2007 in Gestalt der Widerspruchsentscheidung vom 26.4.2010 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage (Az.: 25 K 3...

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