vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebäude-AfA: Anwendung der Sachwertrichtlinie zur Ermittlung einer kürzeren Restnutzungsdauer – Erforderlichkeit eines Bausubstanzgutachtens

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen gemäß Anlage 4 der Sachwertrichtlinie ist ein geeignetes Verfahren zur Ermittlung der kürzeren Restnutzungsdauer eines Gebäudes im Rahmen der AfA-Bemessung nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.
  2. Eines Bausubstanzgutachtens bedarf es hierfür nicht.
  3. Das Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen (ERAB) stellt kein sachgerechteres Verfahren für die Ermittlung der Nutzungsdauer eines Gebäudes i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG dar.
 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, S. 2; EStDV § 11c Abs. 1 S. 1; ImmoWertV § 6 Abs. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.07.2021; Aktenzeichen IX R 25/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Abschreibung für Abnutzung (AfA) der streitgegenständlichen Immobilien für die Jahre 2009 bis 2013 sowie 2015 und 2016 (Streitjahre).

Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 21.11.2002 ein 899 m² großes Grundstück A,B,C sowie eine als Weg bezeichnete Teilfläche mit einer Fläche von 76 m². Die gesamten Anschaffungskosten beliefen sich auf 1.112.585 €. Der Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten erfolgte am 1.1.2003. Die Liegenschaft besteht aus drei Baukörpern unterschiedlicher Baujahre. Das Gebäude C wurde 1905 in 2,5 geschossiger massiver Bauweise mit rückwärtigen Anbauten, 1-bis 2-geschossig, errichtet. 1989 wurde der 1-geschossige Bauteil abgerissen. Im Jahr 1992 wurde an den 2-geschossigen Anbau ein 1-geschossiger Baukörper in massiver Bauweise errichtet. Dieser Bauteil wird mit der Bezeichnung B geführt. Im Jahr 1963 wurde an der rechten Gebäudeseite des Baukörpers C ein 3,5-geschossiges, massives Gebäude errichtet, welches die Bezeichnung A trägt.

Die Klägerin reichte die Feststellungserklärungen für die Jahre 2009 und 2010 am 7.7.2015 ein. Dabei machte sie Werbungskosten für AfA i.H.v. 21.106 € jährlich geltend. Die für diese Jahre ebenso wie für die Vorjahre geltend gemachten Werbungskosten für AfA setzten sich wie folgt zusammen:

A: 8.611 € (2 % von 430.549 €)

B: 2.437 € (2 % von 121.863 €)

C: 6.541 € (2,5 % von 261.634 €)

Außenanlagen: 3.517 € (5 % von 70.349 €)

Die Feststellungen erfolgten zunächst erklärungsgemäß mit Bescheiden vom 23.7.2015 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gleichzeitig erließ der Beklagte wegen Nichtabgabe der Feststellungserklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 Feststellungsbescheide für diese Jahre, in welchen er die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung feststellte. Die Klägerin legte gegen sämtliche Feststellungsbescheide vom 23.7.2015 am 25.8.2015 Einspruch ein und reichte zur Einspruchsbegründung die Steuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 ein. Wie in diversen weiteren inzwischen beim Senat anhängigen Verfahren wurde ein von einem Gesellschafter angefertigtes Gutachten zur Bestimmung der Restnutzungsdauer bei der Beklagten eingereicht. Die Klägerin begehrte aufgrund dieses Gutachtens vom 25.8.2015 nunmehr einen jährlichen Abzug von Werbungskosten für AfA in Höhe von jeweils 35.763 €. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 stellte der Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 23.7.2015 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin

für 2009 mit 2.842,14 €,

für 2010 mit -4.353,86 €,

für 2011 mit 201 €,

für 2012 mit 11.613 € und

für 2013 mit 7.648 €

fest.

Die vom Beklagten vorgenommenen Änderungen beruhten darauf, dass der Beklagte eine Stellungnahme seines Bausachverständigen zu Grunde legte, wonach der von der Klägerin vorgenommenen Aufteilung des Kaufpreises auf Gebäude einerseits und Grund und Boden andererseits nicht gefolgt werden könne. Nach Auffassung des Beklagten verblieben – was mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitig ist – von dem Gesamtkaufpreis i.H.v. 1.112.585 € nach Abzug des auf den Grund und Boden entfallenden Anteils i.H.v. 278.146 € und des Kaufpreisanteils für die Außenanlagen i.H.v. 66.375 € Anschaffungskosten für die Gebäude i.H.v. 768.064 €. Diese entfielen im Verhältnis der Gebäude zueinander – was ebenfalls nicht mehr im Streit steht – zu 53,31 % auf das Gebäude A, zu 27,24 % auf das Gebäude B und zu 19,45 % auf das Gebäude C.

Die von der Klägerin begehrte Anwendung einer kürzeren Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 S. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte der Beklagte ab.

Im Ergebnis errechnete der Beklagte somit eine anzuerkennende jährliche AfA i.H.v. 19.427 €.

Für die Jahre 2015 und 2016 erließ der Beklagte am 18.04.2018 zunächst Schätzbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung, in denen er die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung jeweils i.H.v. 500 € festsetzte, wobei nach den Erläuterungen jeweils ein AfA-Betrag i.H.v. 21.106 € berücksichtigt worden war. Hiergegen legte die Kläge...

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