Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldähnliche Leistungen im Ausland bei Grenzgänger

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Ausschlusstatbestand des Zustehens kindergeldähnlicher Leistungen im Ausland (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG) ist unabhängig von der materiellen Rechtslage nicht erfüllt, wenn die zuständige ausländische Behörde die Bewilligung abgelehnt hat. Die Familienkasse hat diese mit Tatbestandswirkung ausgestattete Ablehnungsentscheidung ohne eigene Prüfungsbefugnis hinzunehmen.
  2. Der Kindergeldanspruch eines in Deutschland aufgrund selbständiger Tätigkeit unbeschränkt steuerpflichtigen und in einem berufsständischen Versorgungswerk wegen seiner Altersvorsorge pflichtversicherten niederländischen Grenzgängers geht aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregelung des Art. 73 EG-VO 1408/71 i. V. m. Art. 10 EG-VO 574/72-DVO einem gleichfalls bestehenden Kindergeldanspruch seines nicht berufstätigen Ehegatten gegenüber dem niederländischen Leistungsträger vor.
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2a, § 65 Abs. 1 Nr. 2; EGV 1408/71 Art. 1 lit. a.) ii.), 2. Spiegelstrich, 2. Alternative, Art. 1 lit. j.); EGV 1408/71 Art. 1 lit. u.)i.); EGV 1408/71 Art. 4 Abs. 1 lit. h.); EGV 1408/71 Art. 73; EGV 1408/71 Anhang I: Teil I. C. lit. b.), 2. Spiegelstrich; EGV 1408/71 Anhang II; EGV 574/72 - DVO Art. 10 Abs. 1 lit. b.)i.); SGB VI § 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.08.2002; Aktenzeichen VIII R 54/00)

BFH (Urteil vom 13.08.2002; Aktenzeichen VIII R 54/00)

 

Tatbestand

Der Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger. Er wohnte zusammen mit seinen drei Kindern und seiner nicht berufstätigen Ehefrau in NL, war in A als Zahnarzt selbständig tätig und nach § 1 Abs. 3 EStG in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Nachdem der Kläger zunächst Kindergeld in voller Höhe erhalten hatte, reichte er auf Anforderung des Beklagten eine Bescheinigung des Versorgungswerk der Zahnärztekammer X ein, wonach er gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. der Satzung des Versorgungswerks wegen Alters versicherungspflichtig ist. Mit Bescheid vom 28. Oktober 1998 bewilligte der Beklagte ab Dezember 1998 Kindergeld nur noch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Betrages, d.h. 370,00 DM monatlich. Er führte aus, als Selbständiger sei der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Seine Ehefrau habe in den Niederlanden Anspruch auf Familienleistungen. Deshalb sei Art. 73 EG-VO 1408/71 i.V.m. Art. 10 DVO nicht anzuwenden. Der Kläger habe daher gem. § 65 EStG grundsätzlich keinen Anspruch auf Kindergeld; jedoch stehe ihm nach Art. 12 Abs. 2 EG-VO für jedes Kind in Höhe der Hälfte des jeweiligen Kindergeldsatzes Kindergeld zu.

Der Kläger erhob unter dem 11. November 1998 Einspruch. Er trug vor, mit Bescheid vom 19. Januar 1999 habe die "Niederl. Behörde" - B - die Bewilligung von Kindergeld mit der Begründung abgelehnt, zwar habe seine Ehefrau grundsätzlich einen Kindergeldanspruch, jedoch gehe nach Art. 13 EG-VO 1408/71 die Kindergeldregelung des Beschäftigungsstaates der des Wohnsitzstaates vor.

Der Kläger hat am 20. Mai 1999 Klage erhoben und mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, den Einspruch vom 11. November 1998 zu bescheiden. Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Oktober 1999 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werde Kindergeld für solche Kinder nicht gezahlt, für die Leistungen im Ausland gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind. Grundsätzlich bestehe für den Kläger ein Anspruch auf vergleichbare Leistungen nach niederländischem Recht. Die Ansicht der niederländischen Behörde teile er nicht, vielmehr richte sich die Anspruchskonkurrenz ausschließlich nach Art. 12 EG-VO 1408/71. Der Kläger hat den Rechtsstreit hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Einspruchsentscheidung für erledigt erklärt. Er begehrt im Klageverfahren nunmehr die Bewilligung von Kindergeld in vollem Umfange. Auf Grund der ablehnenden Entscheidung der niederländischen Behörde sei es dem Beklagten versagt, sich seinerseits hinsichtlich des vollen Kindergeldes für unzuständig zu erklären. Er halte daher an seiner Auffassung fest, dass er einen Kindergeldanspruch nach deutschem Recht habe.

Der Kläger beantragt,

ihm für seine drei Kinder ab Dezember 1998 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren, soweit es nicht bereits bewilligt worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich der Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich des ursprünglichen Klagebegehrens angeschlossen. In der Sache trägt er vor, grundsätzlich sei ein Anspruch des Klägers nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Deutschland ausgeschlossen. Nach niederländischem Recht bestehe ein dem deutschen Kindergeld vergleichbarer Anspruch allein auf Grund des Wohnsitzes in den Niederlanden. Dieser Ausschluss würde allerdings durch vorrangige Regelungen des EU-Gemeinschaftsrechts gem. Art. 13 Abs. 2 lit. b) i.V.m. Art. 73 EG...

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