vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Fahrten von Profisportlern im Mannschaftsbus zu auswärtigen Terminen – Begriff der „tatsächlich geleisteten Arbeit“

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Tatsächlich geleistete Arbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG liegt ohne weitergehende Voraussetzungen bzw. Einschränkungen immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer die von ihm arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, für die ein Anspruch auf Grundlohn besteht.
  2. Dementsprechend sind Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die Profisportlern und Betreuern für die verpflichtende Teilnahme an Fahrten im Mannschaftsbus zu auswärtigen Terminen zusätzlich zum Grundlohn gezahlt werden, unabhängig davon steuerfrei, ob während der Reisezeit eine belastende Tätigkeit ausgeübt wird.
 

Normenkette

EStG § 3b Abs. 1, 2 S. 1 1. Hs.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.12.2021; Aktenzeichen VI R 28/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob im Zusammenhang mit Hin- und Rückfahrten zu auswärts stattfindenden Terminen an Profisportler bzw. Betreuer geleistete Zahlungen als steuerfreie Zuschläge i.S. des § 3b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sind.

Der Beklagte führte bei der Klägerin, bei der es sich um eine ...[ Sportart ]- Profimannschaft handelt, eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.05.2012 bis 31.10.2015 durch. Im Prüfungsbericht vom 19.02.2016 traf die Prüferin unter Tz. 1 die Feststellung, dass die Klägerin an ihre Spieler und Betreuer im Rahmen von auswärts stattfindenden Terminen zusätzlich zum Arbeitslohn steuerfreie Zuschläge zu Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit leiste. Für die Beförderungszeiten im Mannschaftsbus könnten, soweit diese nicht mit belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand), keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden. Mit der Klägerin bestehe Einvernehmen dahingehend, dass der Anteil der nachzuversteuernden Beträge mit 15 % der Gesamtzahlungen zu bemessen sei. Auf Antrag der Klägerin sei eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorzunehmen.

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 18.05.2016 einen Bescheid, der sowohl eine unstreitige Haftungsschuld (insgesamt 609,14 Euro) als auch die zwischen den Beteiligten streitige Nachforderung zur Lohnsteuer zzgl. Nebenabgaben i. H. v. von insgesamt…Euro zum Gegenstand hat.

Nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruch vom 16.06.2016) hat die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 30.05.2017 am 29.06.2017 Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Einbeziehung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren geltend macht: Im Streitfall seien die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 3b EStG erfüllt. Die Arbeitnehmer leisteten während der Reisezeiten tatsächliche Arbeit i. S. des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG. Die Fahrtzeiten gehörten nach § 2 Abs. 2 Buchst. f bzw. § 6 des Standard-Arbeitsvertrages zu den arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeiten. Die Spieler/Betreuer seien zu der Teilnahme an Fahrten in dem vom Arbeitgeber bestimmten Transportmittel verpflichtet. Eine Möglichkeit zur individuellen Anreise bestehe nicht.

Tatsächliche Arbeit liege bei den Fahrtzeiten unabhängig davon vor, ob während der Fahrten weitere Tätigkeiten, wie z.B. die Teilnahme an Videoanalysen, Spiel- und Taktikbesprechungen, Einzelanalysen etc. stattfinden würden.

Für die Steuerfreiheit nach § 3b EStG sei unmaßgeblich, ob in den zuschlagsfähigen Zeiten eine „belastende“ Tätigkeit vorgenommen werde. Maßgebend sei allein, dass tatsächlich Arbeit geleistet werde. Was als tatsächlich geleistete Arbeit zu beurteilen sei, sei abhängig vom Berufsbild der jeweiligen Tätigkeit. Im Bereich des Profisports sei wesentliches Merkmal, dass sich die Profisportler in sportlichen Wettkämpfen messen würden, die an unterschiedlichen Orten stattfänden. Dies mache die Reisetätigkeit unumgänglich und habe zur Folge, dass eine Hauptleistungspflicht im arbeitsrechtlichen Sinne vorliege. Das „passive“ Verhalten der Spieler während der Reisezeiten liege zudem gerade im Interesse des Arbeitgebers, um die Fahrten selbst und die während der Fahrten stattfindenden Tätigkeiten vornehmen zu können. Die Spieler könnten während der Fahrten demgegenüber nicht frei über ihre Zeit verfügen, sondern seien zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber an einen Ort, nämlich den Bus, gebunden. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Fällen einer Rufbereitschaft (Urteil vom 27.08.2002 VI R 64/96) sei für die Annahme tatsächlicher Arbeit allein maßgeblich, dass die Fahrten nicht im Rahmen einer privaten Freizeitgestaltung stattfänden.

Die vorstehende Beurteilung entspreche auch der Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Begriff der Arbeit. Danach sei Arbeit „jede Tätigkeit, die als Leistung der versprochenen Dienste i. S. des § 611 Abs. 1 BGB der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses die...

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