vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für den Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung ist nicht auf die Unausweichlichkeit des dem Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen; Voraussetzung der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten ist jedoch, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2011, 1015).
  2. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten – ungeachtet der späteren Abweisung der Klage aus Beweisgründen - deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, weil ein unabhängiger Gutachter im selbständigen Beweisverfahren zu dem Ergebnis gelangt war, dass das Gebäude der Stpfl. einen vom Bauträger verursachten Mangel aufwies.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2011

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung.

Die zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger, Eltern von zwei Kindern, hatten nach dem Erwerb ihres Hauses beim Amtsgericht ein selbständiges Beweisverfahren angestrengt. Der dort bestellte Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, die von dem Bauträger verwendete Abdichtung zur Nachbarwand des Objektes sei nicht fachgerecht; diese Einschätzung bestätigte er sodann in einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 05.09.2007. Nach erfolgloser Geltendmachung von Schadensersatz verklagten die Kläger den Bauträger beim Landgericht –LG- auf Zahlung von 7.743 EUR nebst Zinsen. Das LG beauftragte einen weiteren Gutachter, der indes konstruktive Mängel des Gebäudes verneinte. Das Gericht schloss sich – nach Anhörung beider Sachverständiger - letzterem Ergebnis an und wies die Klage mit Urteil vom 16.11.2010 als unbegründet ab. Durch diesen Rechtsstreit sind den Klägern Anwalts- und Gerichtskosten von unstreitig insgesamt 15.227,76 EUR entstanden, die sie im Streitjahr entrichtet haben.

Den Antrag der Kläger, diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zum Ansatz zu bringen, lehnte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom (zuletzt) 15.06.2012 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 04.03.2013 als unbegründet zurück. Die Aufwendungen seien nicht zwangsläufig, weil kein existentiell wichtiger Bereich betroffen sei. Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH- zum Abzug von Zivilprozesskosten (Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10) sei lt. Schreiben des Bundesministers der Finanzen –BMF- vom 20.12.2011 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Hinweis auf die geänderte BFH-Rechtsprechung weiter; ihre zivilgerichtliche Prozessführung habe den vom BFH aufgestellten Anforderungen genügt, sei nämlich hinreichend aussichtsreich gewesen. Nach gerichtlichem Hinweis vom 27.09.2013, dass jedenfalls eine zumutbare Eigenbelastung von 3.328 EUR in Abzug zu bringen sei, haben die Kläger ihr Begehren mit Schriftsatz vom 01.10.2013 entsprechend eingeschränkt.

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 12.06.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.03.2013 dahin zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen von 11.900 EUR anerkannt werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, als er über die im Tenor ausgewiesene Festsetzung hinausgeht (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO); die Zivilprozesskosten stellen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen dar, sind aber der Höhe nach um die sog. zumutbare Eigenbelastung zu kürzen.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmten Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Kosten eines Zivilprozesses können nach der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung (o. a. BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2011, 1015) unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Entgegen der früheren Rechtsprechung ist f...

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