Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen einer Tomatis-Therapeutin

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Umsätze einer selbständigen Heilpädagogin aus Therapieleistungen der Audio-Psycho-Phonologie nach der Tomatis-Methode sind nicht als ähnliche heilberufliche Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.
  2. Eine freiwillige Kostentragung durch die Krankenkassen im Einzelfall reicht nicht aus, um den nach § 4 Nr. 14 UStG erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis zu erbringen.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; SGB V §§ 92, 124 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2005, 2006, 2007

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.05.2012; Aktenzeichen V B 106/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin als Tomatis-Therapeutin umsatzsteuerfrei sind.

Die Klägerin ist als selbständige Therapeutin für Audio-Psycho-Phonologie nach der Tomatis-Methode tätig und betreibt ein Tomatis-Institut. Nach der Ausbildung zur Erzieherin schloss sie ein Studium zur Diplom-Sozialpädagogin ab und vertiefte dies durch eine dreijährige heilpädagogische Zusatzausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Danach schloss sie eine Ausbildung zur Tomatis-Therapeutin ab. Diese Ausbildung umfasst eine einjährige theoretische und praktische Ausbildung, die sich aus fünf theoretischen Kursblöcken von insgesamt 270 Unterrichtsstunden sowie drei Praktika in Tomatis-Instituten zusammensetzt und mit einer Abschlussprüfung endet.

Weder die Berufsgruppe der Tomatis-Therapeuten noch die Klägerin persönlich verfügen über eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr werden die Aufwendungen für die Leistungen von Tomatis-Therapeuten nur in Einzelfällen bei einschlägiger ärztlicher Empfehlung von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen erstattet.

Im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen 2001 bis 2004, die zu Nachzahlungen führten, behandelte die Klägerin die von ihr erzielten Umsätze zunächst als umsatzsteuerpflichtig.

Mit Schreiben vom 27.12.2006 beantragte die Klägerin, die Umsätze in den Streitjahren 2001 bis 2004 als nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei zu behandeln, weil sie als Tomatis-Therapeutin eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausübe.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 09.04.2009 ab.

Im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen 2005 bis 2007 behandelte die Klägerin die von ihr erzielten Umsätze als umsatzsteuerfrei. Der Beklagte erließ jedoch am 30.04.2009 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007, mit denen er die Umsätze dem Regelsteuersatz unterwarf.

Mit den Einsprüchen gegen die ablehnende Verfügung vom 09.04.2009 und die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 30.04.2009 machte die Klägerin geltend, ihre Tätigkeit als Tomatis-Therapeutin sei mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten vergleichbar und deshalb als freiberuflich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie als nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28.08.2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954) scheitere eine Ähnlichkeit eines Heilberufs ohne staatliche Regelung mit dem Katalogberuf des Krankengymnasten nicht an der fehlenden Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V. Fehle eine solche Zulassung, sei es Aufgabe der Finanzämter festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit einem nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassenen Beruf vergleichbar seien. Dies sei bei den Tomatis-Therapeuten der Fall. So habe auch die Finanzverwaltung Hamburg - nachdem der BFH den dortigen Rechtsstreit mit Urteil vom 28.08.2003 (IV R 69/00, BStBl II 2004, 954) an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen hatte - die Tätigkeit des dortigen Tomatis-Therapeuten als freiberuflich eingestuft und gleichzeitig die Gewerbesteuerbescheide sowie die Umsatzsteuerbescheide aufgehoben. Auch von den Finanzbehörden anderer Bundesländer würde die Tätigkeit der Tomatis-Therapeuten als umsatzsteuerfrei behandelt.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 19.02.2010 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, zu der Frage, ob die Klägerin als Tomatis-Therapeutin eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 14 UStG ausübe, könne nicht das BFH-Urteil vom 28.08.2003 herangezogen werden. Dieses sei allein zu der ertragsteuerlichen Abgrenzung einer gewerblichen von einer freiberuflichen Tätigkeit ergangen. Die Tätigkeit der Klägerin als Tomatis-Therapeut sei keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit, weil sie im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit, die Ausbildung und die berufsrechtliche Regelung der Ausbildung nicht mit einem Katalogberuf i. S. des § 4 Nr. 14 UStG vergleichbar sei. Eine Tätigkeit könne nach der Rechtsprechung des BFH nur dann als nach § 4 Nr. 14 UStG ähnliche heilberufliche Tätigkeit angesehen werden, wenn die Therapiekosten im Regelfall von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen übernommen würden. Diese Voraussetzungen ha...

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