vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerstreit zwischen inländischer und ausländischer Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird die im Ansässigkeitsstaat zu versteuernde Berufsunfähigkeitsrente eines beschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den Niederlanden aufgrund eines grob fahrlässigen, für das FA nicht erkennbaren Erklärungsfehlers nochmals im Rahmen der inländischen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Einnahme erfasst, kann der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid nicht nach § 174 Abs. 1 AO zu seinen Gunsten geändert werden, da die doppelte Erfassung eines Sachverhalts in einem inländischen und einem ausländischen Steuerbescheid keine widerstreitende Steuerfestsetzung im Sinne sich gegenseitig zwingend ausschließender Regelungen darstellt.
  2. Finanzbehörden i. S. d. § 155 Abs. 1 S. 2 AO sind allein die in § 6 Abs. 2 AO bezeichneten inländischen Behörden.
  3. Die Nichtanwendung des § 174 Abs. 1 AO stellt keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages dar.
 

Normenkette

AO § 1 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 2, §§ 129, 155 Abs. 1 S. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2a; DBA Niederlande Art. 16; EG Art. 12, 43

 

Streitjahr(e)

2004

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen I R 73/10)

 

Tatbestand

Der Kläger ist in den Niederlanden wohnhaft. Im Inland erzielt er Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Heilpraktiker, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Außerdem erzielt er seit 2004 Einkünfte aus einem privaten Altersvorsorgevertrag (Berufsunfähigkeitsrente), welche in den Niederlanden versteuert werden.

Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 hatte der Kläger beantragt, die Einnahmen aus der Rente im Inland zu versteuern und den Kläger als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG zu behandeln. Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass nach der bindenden Regelung in Art. 16 DBA Niederlande insoweit eine Versteuerung im Wohnsitzstaat zu erfolgen habe, nahm er den Einspruch zurück.

In den Einkommensteuerbescheiden 2005 vom 26. 7. 2007 und 2006 vom 16. 6. 2008 berücksichtigte der Beklagte die Einkünfte aus § 18 EStG erklärungsgemäß mit 38.456 EUR für 2005 und 49.103 EUR für 2006. Die Einkünfte hatte der Kläger nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Kontennachweis zur Gewinnermittlung enthielt im Jahr 2005 für das Konto 4101 „Umsatzerlöse Seminare” den Betrag von 14.995,60 EUR, für das Jahr 2006 für das Konto 4102 „Einnahmen, Versicherungen” den Betrag von 15.040,80 EUR.

Am 18. 5. 2009 beantragte der Kläger, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 nach § 174 AO zu ändern. Bei den Beträgen von 14.995,60 EUR in 2005 und 15.040,80 EUR in 2006 handle es sich um die vierteljährlichen Rentenbezüge, welche der Besteuerung in den Niederlanden unterlägen. Der Beklagte teilte am 15. 6. 2009 mit, § 174 AO fände nur Anwendung, wenn beide Bescheide, die fehlerhaft seien, von der deutschen Steuerverwaltung erlassen worden seien; eine doppelte Besteuerung durch zwei verschiedene Staaten sei über § 174 AO nicht zu korrigieren.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und beantragte nun, die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Ein grobes Verschulden liege nicht vor. Der Kläger habe nach bestem Wissen alle Einnahmen der Jahre zusammengestellt und erklärt. Dabei habe er auch die Gutschriften auf dem Bankkonto erfasst, die nicht nach deutschem Recht zu besteuern seien. Die Einnahmen und Ausgaben habe er in einer Excel Tabelle erfasst. Um die Endsumme des Bankkontos zum 31. 12. entsprechend dem Kontoauszug nachzuvollziehen, seien alle Einnahmen und Ausgaben, auch Sonderausgaben und rein private Vorgänge, erfasst worden. Auf dem Bankkonto würden auch die Rentenzahlungen gutgeschrieben. Im Vorjahr sei auf der von dem Kläger fortgeschriebenen Tabelle unter dem Konto 8030 der Geldeingang eines Seminars erfasst worden, in 2005 und 2006 die Zahlung der B Versicherung.

Der Beklagte wies darauf hin, dass bereits für 2004 Schriftwechsel bezüglich des Besteuerungsrechts der Rente geführt worden sei. Am 4. 1. 2010 wies er den Einspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Die Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsrente, für die die Niederlande das Besteuerungsrecht hätten, hätten in 2005 14.977,10 EUR und in 2006 15.037,00 EUR betragen. § 174 AO sei vorliegend anwendbar. Nach § 1 AO gelte diese für Steuern, die durch Bundesrecht einschließlich des Rechts der Europäischen Gemeinschaft geregelt seien. Das Recht der EU gehe dem Bundesrecht vor. Dem Gesetzestest des § 174 AO sei nicht zu entnehmen, dass beide Bescheide inländische Steuerbescheide sein müssten. Die steuerliche Ungleichbehandlung des Klägers sei europarechtswidrig, denn wenn der Kläger seinen Wohnsitz im Inland hätte, wäre § 174 AO anwendbar.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 15. 6. 2009 zu...

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