Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrswertermittlung im Ertragsteuerrecht: Anwendung des Ertragswertverfahrens bei Mietwohngrundstücken – Berücksichtigung eines höheren Substanzwerts im Fall der künftigen Aufteilung in Eigentumswohnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird bei der Veräußerung von Anteilen an einer Grundstücks-GbR an eine Familienstiftung, zu deren Destinatären die Gesellschafter der GbR zählen, ein den Verkehrswert überschreitender Kaufpreis gezahlt, ist der Ermittlung der Anschaffungskosten und der AfA durch die Erwerberin der Verkehrswert zugrunde zu legen.
  2. Der Verkehrswert eines Mietwohngrundstücks ist regelmäßig nach dem Ertragswertverfahren gemäß §§ 17-20 ImmoWertV zu ermitteln.
  3. Die am Bewertungsstichtag bestehende bloße Möglichkeit der künftigen Aufteilung in Eigentumswohnungen zum Zweck der Veräußerung rechtfertigt nicht die Berücksichtigung eines höheren Substanzwerts im Wege der alternativen Anwendung des Sachwertverfahrens.
  4. Die Abschreibung der in der Ergänzungsbilanz der Erwerberin ausgewiesenen Anschaffungskosten ist nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 20.11.2014 IV R 1/11, BFH/NV 2015,409, vorzunehmen.
  5. Soweit die Erwerberin in Anrechnung auf den Kaufpreis über dessen angemessene Höhe hinaus die anteiligen Darlehensverbindlichkeiten der Veräußerer übernommen und die Schuldzinsen getragen hat, ist der Schuldzinsenabzug zu kürzen.
 

Normenkette

BewG § 9 Abs. 2, § 76 Abs. 1 Nr. 1; ImmowertV § 2; ImmoWertV § 4 Abs. 3 Nr. 1, §§ 17, 21; EStG § 7 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.10.2019; Aktenzeichen IX R 38/17)

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die drei Geschwister A, B und C zum 3. 12. 1996 gegründet. Die Gesellschafter waren an der Klägerin zu gleichen Teilen je zu 1/3 beteiligt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. 5. 1997 erwarb die Klägerin das Grundstück D in E. Das Grundstück war bebaut mit einem denkmalgeschützten Wohnhaus, welches von der Verkäuferin entsprechend der im Kaufvertrag enthaltenen Sanierungs- und Umbauverpflichtung hergerichtet wurde. Der Gesamtkaufpreis betrug DM 3.870.000 (Euro 1.978.699,58) und wurde wie folgt aufgeteilt:

Grund und Boden

DM 411.020 (Euro 210.151,19)

10,62 %

Gebäude

DM 834.220 (Euro426.529,91)

21,56 %

Umbau und Sanierung

DM 2.624.760 (Euro 1.342.018,48)

67,82 %.

Die Grundstücksgröße beträgt 400 qm und die Wohnfläche 908 qm.

Mit einem nicht datierten privatschriftlichen Anteilskaufvertrag verkauften die Gründungsgesellschafter mit Wirkung zum 01.07.2007 insgesamt 94 % ihrer Gesellschaftsanteile an die F, eine Familienstiftung, zu deren Destinatären die Gesellschafter der GbR zählen. B veräußerte seinen gesamten Gesellschaftsanteil von 1/3, A und C jeweils 30 1/3 %. Damit bleiben letztere zu jeweils 3 % an der Klägerin beteiligt.

Der Kaufpreis wurde auf der Basis eines Wertes der Immobilie von 2.060.536,60 € ermittelt und betrug insgesamt für die Anteile von 94 % 1.936.904,40 Euro. Davon entfielen auf B 686.845,52 Euro und auf die beiden weiteren Gesellschafterinnen jeweils 625.029,44 Euro. Angerechnet auf den Kaufpreis wurden die anteiligen Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin (1.258.660 € bezogen auf 94 %), da die Käuferin die Verkäufer anteilig von ihren Verbindlichkeiten auf Grund der Finanzierungsverträge für das Objekt freizustellen hatte. Der verbleibende Betrag von 678.244,40 € wurde als Barkaufpreis an die verkaufenden Gesellschafter ausgezahlt.

Im Jahresabschluss der Klägerin per 31. 12. 2006 waren zudem „Forderungen gegenüber Gesellschaftern” mit einem Betrag von insgesamt 654.262,40 € ausgewiesen (100 %). Hinsichtlich der verkauften Anteile von 94 % ist ein Ausgleich durch die Altgesellschafter nicht erfolgt.

Bis zu der Anteilsveräußerung wurde für das Objekt die Fördergebietsabschreibung auf die Sanierungsmaßnahmen mit insgesamt 1.313.669,63 Euro und die Abschreibung auf die Gebäudealtsubstanz mit 79.951,33 Euro berücksichtigt. Der Buchwert zum 30. 6. 2007 betrug 666.915,64 Euro. Auf die Anteilsveräußerung von 94 % entfiel ein Buchwert zum Übertragungsstichtag von 626.900 Euro.

Die Gesellschaft brachte von dem vereinbarten Kaufpreis von 1.936.904,40 Euro das anteilige übernommene Finanzierungsdarlehen von 1.258.660 Euro in Abzug. Die Forderungen gegen die Gesellschafter wurden mit 94 % (615.006,65 €) als übernommene Gesellschafterdarlehen und damit als weiterer Kaufpreis der Anteile hinzugerechnet. Die sich danach ergebende Summe von 1.293.251,05 € erfasste die Gesellschaft als zusätzliche Anschaffungskosten der Neugesellschafterin in der Ergänzungsbilanz und teilte den Betrag wie folgt auf:

Grund und Boden

137.343,26 €

10,62 %

Altbau

278.824,93 €

21,56 %

Sanierung

877.082,86 €

67,82 %.

Die auf Altbau und Sanierung bilanzierten zusätzlichen Anschaffungskosten wurden auf eine Restnutzungsdauer von 492 Monaten abgeschrieben, dies führte zu einer zusätzlichen Abschreibung für die Neugesellschafterin F von 28.193 €.

Die anteilige AfA 2007 betrug 14.096,79 €. Der Neugesellschafterin wurde darüber hinau...

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