Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung; Promotionsvorbereitung als Fortsetzung der Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent nach Abschluss der Diplomprüfung ist als Fortsetzung der Berufsausbildung zu qualifizieren, wenn sie dem Ziel der Promotion dient und deren Vorbereitung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird. Soweit aufgrund der hierdurch eintretenden Veränderung der Einkünftesituation der Grenzbetrag der Einkünfte und Bezüge überschritten wird, entfällt der Kindergeldanspruch für das laufende Kalenderjahr ungeachtet der vorher bestehenden Unterhaltsbedürftigkeit rückwirkend.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 1 Buchst. a

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.12.2003; Aktenzeichen VIII B 151/03)

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller bezog bis August 2002 Kindergeld u. a. für seinen Sohn A (geboren im Januar 1976). Der Sohn studierte Elektrotechnik und Informationstechnik an der B

Technischen Hochschule - ATH -. Im August 2002 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner - der Familienkasse - unter Vorlage einer Bescheinigung der ATH mit, dass sein Sohn A die Diplomprüfung am 24. Juli 2002 abgeschlossen habe. Das von der ATH als Prüfungsabschluss bestätigte Datum sei der Tag der letzten Prüfungsleistung (Klausur); das Ergebnis der Klausur und damit der gesamten Diplomprüfung habe allerdings erst Anfang August 2002 vorgelegen. Was die Einkünfte des Sohnes angehe, habe er von Januar bis Juni 2002 seine Diplomarbeit geschrieben und keine Einkünfte erzielt. Im Juli und August 2002 habe er als wissenschaftliche Hilfskraft an der ATH insgesamt ca. 1.200 EUR erhalten. Ab September 2002 werde A als Wissenschaftlicher Assistent an der ATH im Angestelltenverhältnis bzw. als Beamter auf Zeit tätig sein und für die Monate September bis Dezember 2002 ca. 12.000 EUR verdienen. Auf Nachfrage teilte der Antragsteller der Familienkasse mit (Schreiben vom 24. August 2002), sein Sohn habe die Stelle bei der ATH mit dem eindeutigen Ziel der Promotion erhalten. Arbeitsstellen hätte er genug haben können, denn Elektroingenieur sei ein Mangelberuf.

Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung, soweit sie den Sohn A betraf, rückwirkend ab Januar 2002 auf und forderte einen Kindergeldbetrag von 1.232 EUR zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, der Sohn A sei das gesamte Jahr 2002 gemäß § 32 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG als Kind im Sinne des Kindergeldrechts (§ 63 Abs. 1 EStG) anzusehen, weil er das gesamte Jahr - allenfalls unterbrochen durch eine unschädliche kurze Übergangszeit - in Berufsausbildung gewesen sei. Nicht nur das mit dem Diplom abgeschlossene Studium, sondern auch das Promotionsstudium stelle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 92/98) eine Berufsausbildung dar. Damit komme es für die Prüfung der Einkunftsgrenze auf die gesamten im Jahr 2002 erzielten Einkünfte und Bezüge des Sohnes an; diese lägen deutlich über dem Grenzbetrag von 7.188 EUR (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Deshalb sei ein Kindergeldanspruch für das ganze Kalenderjahr 2002 zu versagen, die Kindergeldfestsetzung sei rückwirkend ab Januar 2002 gemäß § 70 EStG aufzuheben und zuviel gezahltes Kindergeld sei gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben (Aktenzeichen 18 K 6584/02 Kg). Nachdem die Familienkasse die Aussetzung der Vollziehung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides abgelehnt hatte, beantragt er die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Er ist der Ansicht, Kindergeld sei nur für die Zeit bis zur Diplomprüfung des Sohnes zu gewähren; insoweit sei auch die anteilige Einkunftsgrenze nicht überschritten. Für die Zeit der Assistententätigkeit sei kein Kindergeld beantragt worden; für diese Zeit habe der Sohn einen Arbeitsvertrag als Zeitangestellter abgeschlossen, der zwischenzeitlich durch eine Verbeamtung auf Zeit (3 Jahre) ersetzt worden ist. Hiernach sei der Sohn als Wissenschaftlicher Assistent an der ATH tätig, d. h. er betreibe als Vollzeitmitarbeiter bei der Hochschuleinrichtung Elektrische Maschinen Projektarbeit für die Fa. C über einen längeren Zeitraum, außerdem führe er Praktika mit Studenten durch. Dies sei Berufstätigkeit, keine Berufsausbildung. Ob diese Tätigkeit später darin münden könne, dass sich der Sohn auch mit einer Promotion beschäftige, bleibe erst noch abzuwarten. Der Antragsteller verweist in diesem Zusammenhang auf den Arbeitsvertrag zwischen seinem Sohn und der ATH vom 6.08.2002 in dem es u. a. heißt:

㤠4

Hinsichtlich der wahrzunehmenden Aufgaben gem. §§ 59 Abs. 1 bzw. 54 Abs. 1 HG wird ergänzend auf das/ die Schreiben der Hochschuleinrichtung vom 11.06.2002 Bezug genommen.

§ 5

Die Beschäftigung erfolgt für Aufgaben und Dienstleistungen, die zugleich der eigenen wissenschaftlichen Weiterbildung dienen. Grund für die Befristung ist u. a., mögl...

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