Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.10.1997; Aktenzeichen II B 60/97)

 

Gründe

Mit Bescheid vom 08.04.1997 führte der Antragsgegner die Vermögensteuerveranlagung der Antragsteller auf den 01.01.1995 durch. Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt, da die Antragsteller keine Vermögensteuererklärung abgegeben hatten. Die Vermögensteuer wurde für 1995 und 1996 auf jeweils 320,00 DM festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, die beim Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 2950/97 V anhängig ist. Nachdem der Antragsgegner einen dort gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat, begehren die Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nunmehr im gerichtlichen Verfahren.

Die Antragsteller sind der Ansicht, seit dem 01.01.1997 fehle es an einer rechtlichen Grundlage für die Festsetzung von Vermögensteuer, weil das Vermögensteuergesetz nach Nr. 2 der Entscheidungsformel des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (BVerfGE 93, 121) längstens bis zum 31.12.1996 anwendbar gewesen sei.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Vermögensteuerbescheids auf den 01.01.1995 vom 08.04.1997 bis einen Monat nach Entscheidung über die gegen diesen Bescheid anhängige Klage auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er meint, aus dem zitierten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, daß das Vermögensteuergesetz für vor dem 01.01.1997 liegende Stichtage weiterhin anwendbar sei. Der Grundsatz des gleichmäßigen Gesetzesvollzugs gebiete es, daß alle noch nicht durchgeführten Vermögensteuerveranlagungen für vor dem 31.12.1996 liegende Stichtage noch durchgeführt werden. Es widerspräche dem Grundsatz des gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs, der über Art. 3 Grundgesetz –GG– Verfassungsrang habe, in grober Weise, wollte man die Steuerpflichtigen, deren Veranlagungen noch nicht durchgeführt worden seien, aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis besser behandeln als diejenigen, deren Veranlagungen bereits bestandskräftig durchgeführt worden seien

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die vorgelegten Akten Bezug genommen.

Der Antrag ist begründet. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung–FGO– an der Rechtmäßigkeit des Vermögensteuerbescheids vom 08.04.1997; es sprechen gewichtige Umstände für die Richtigkeit der von den Antragstellern vertretenen Rechtsauffassung, so daß ihr Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht vollkommen ausgeschlossen erscheint.

Die Antragsteller können sich nämlich auf den Wortlaut der Entscheidungsformel zu Nr. 2 des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (a.a.O.) berufen. Diese Entscheidungsformel, die gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz –BVerfGG– Gesetzeskraft hat, besagt, daß das bisherige, in Nr. 1 der Entscheidungsformel als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar angesehene Vermögensteuerrecht längstens bis zum 31.12.1996 weiterhin anwendbar ist. Die Schlußfolgerung, daß das bisherige Recht infolgedessen ab dem 01.01.1997 nicht mehr angewendet werden darf, erscheint angesichts dieses Wortlauts folgerichtig (ebenso: Schüppen, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1997, 225; Grögler, NWB Nr. 15 vom 07.04.1997, 1109; Felix, Kölner Steuerdialog –KÖSDI– 1997, 11.084).

Diese am Wortlaut der Entscheidungsformel des Bundesverfassungsgerichts orientierte Rechtsauffassung wird – jedenfalls für die hier streitige Vermögensteuer 1995 und 1996 – bestätigt durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in Abschnitt C III. 3. seines Beschlusses. Das Gericht bestimmt dort im Hinblick auf eine verläßliche Haushaltsplanung und auf einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug zum einen, daß das bisherige Vermögensteuerrecht für zurückliegende Kalenderjahre, für die die Veranlagung weitgehend abgeschlossen ist, wie bisher anwendbar bleibt. Zum anderen begrenzt das Gericht auch dort die Anwendbarkeit des bisherigen Rechts auf den 31.12.1996 und wiederholt insoweit den Ausspruch aus der Entscheidungsformel. Wiederum wird kein Zeitraum für die Weitergeltung des verfassungswidrigen Vermögensteuerrechts eingeräumt, es wird vielmehr ein Zeitpunkt bestimmt, bis zu dem das verfassungswidrige Gesetz noch angewendet werden darf.

Zutreffend weist der Antragsgegner allerdings darauf hin, daß die vom Antragsteller vertretene Rechtsansicht dazu führt, daß es zu einer ungleichmäßigen Vermögensbesteuerung kommt. Die Steuerpflichtigen, deren Vermögensteuerveranlagungen für Stichtage bis zum 01.01.1996 am 31.12.1996 noch nicht durchgeführt waren, werden in der Tat bessergestellt, als diejenigen, deren Veranlagungen am 31.12.1996 schon bestandskräftig waren. Hierin liegt jedoch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (anderer Ansicht: Gegendarstellung des Bundesfinanzmi...

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