Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrechtliche Folgerungen der Beteiligung an „Karussell-Geschäften” im Rahmen eines Umsatzsteuerbetrugs. Steuerbefreiung für Lieferungen an ausländische „missing trader”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ausführungen zu der Frage, ob die klagende Kapitalgesellschaft (bzw. ihr Vorstand, dessen Wissen der Gesellschaft zuzurechnen ist) wissentlich als Mittäter als inländischer „buffer” in den von einem Dritten initiierten Karussellbetrug eingebunden war (im Ergebnis bejaht, vor allem aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung sowie der Feststellungen im Rahmen des strafgerichtlichen Urteils gegen den Dritten).

2. Ein Vorsteuerabzug des wissentlich in den Karussellbetrug eingebundenen „buffers” aus Rechnungen der inländischen „missing trader” über (angebliche) Lieferungen von Mobiltelefonen kommt nicht in Betracht.

3. Lieferungen des „buffers” im Rahmen des Karussellbetrugs an im EU-Ausland ansässige „missing trader” sind umsatzsteuerpfichtig. Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen kann nicht gewährt werden. Die dolose Einbindung in das Umsatzsteuerhinterziehungsmodell steht auch der Anwendung des Gutglaubensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG entgegen.

 

Normenkette

UStG 1999 § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 3-4, § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStDV 1999 § 17a Abs. 1, 4, § 10 Abs. 2 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen V R 30/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine am 29. Juli 1998 gegründete Aktiengesellschaft, betreibt ein Unternehmen zur Vermittlung von Mobilfunkverträgen sowie den Handel mit Telekommunikationsgeräten und Zubehör. Der Vorstand der Klägerin ist A. Die Klägerin wird beim Beklagten u.a. zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Beteiligten streiten um die Einbindung der Klägerin in einen Umsatzsteuerbetrug in Form von sog. „Karussell-Geschäften” und deren steuerliche Folgen.

Aufgrund von Ermittlungen im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sowie von Ermittlungen der Steuerfahndungsstellen des Finanzamts München I und der Finanzämter des Saarlandes gelangte der Beklagte zu der Überzeugung, dass die Klägerin mit Scheinfirmen als Lieferanten und als Abnehmer in Geschäftsbeziehungen gestanden hat. Es handelte sich

  • ▹ als Lieferanten um die Firmen

    1. BG-GmbH, Deutschland

    2. P-GmbH, Deutschland

  • ▹ als Abnehmer um die Firmen

    3. EE, Italien,

    4. FD, Italien,

    5. B-GmbH, Österreich,

Diese Firmen, die ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen waren, waren den Ermittlungen zufolge wirtschaftlich nicht aktiv (sog. „missing trader”) und in ein „Umsatzsteuer-Karussell” eingebunden.

Wegen Einzelheiten wird Bezug genommen auf

  • ▹ den Schlussbericht der Fahndungsstelle für die Finanzämter des Saarlandes vom 9. September 2005 nebst Vermerk über die strafrechtlichen Feststellungen
  • ▹ den steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsbericht Bericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München I vom 31. Mai 2001,
  • ▹ das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts X vom 9. August 2001, das den geständigen Hauptbeteiligten LF wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt hat.

Den Ermittlungen zu Folge wurden die o.g. Unternehmen von LF als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet. Tatsächlich habe die Geschäftsführung in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an die Abnehmer-Firmen im Ausland weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein Umsatzsteuer-Karussell eingeschleust worden seien.

Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Fahndungsstellen an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Gegen den Änderungsbescheid für 1999 hat die Klägerin am 30. November 2005 Einspruch eingelegt. Der Änderungsbescheid für 2000 wurde Gegenstand eines bereits schwebenden Einspruchsverfahrens. Durch Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

Am 22. Juni 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Am 6. August 2007 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2000 und setzte die Steuer auf 1.194.163 DM (Bl. 119 ff.) fest. Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer

  • ▹ 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und
  • ▹ 2000 auf 116.092 DM (anstatt 1.281.253 DM bzw. zuletzt 1.194.163 DM)

festzusetzen.

Unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung trägt die Klägerin im Übrigen vor, sie sei nicht wissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen. Die Handys seien nicht unter dem Einkaufspreis, sondern unter dem Marktwert weiterverk...

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