Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkunftserzielungsabsicht. Vermietung. Leerstand. 10 Jahre

 

Leitsatz (redaktionell)

Trotz eines ca. 10-jährigen Leerstandes kann von einer Einkunftserzielungsabsicht auszugehen sein, wenn sich die Vermietungsabsicht aufgrund anderer Indizien erkennen lässt (hier: begonnene, aber wegen Finanzierungsschwierigkeiten nicht fortgeführte Renovierungsmaßnahmen). Es ist unschädlich, dass die Wohnung schließlich nicht vermietet, sondern gewerblich als Lager der Buchhandlung des Steuerpflichtigen genutzt wird.

 

Normenkette

EStG §§ 2, 21

 

Tenor

1. Unter Änderung der Bescheide vom 29. Juli 1999, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2002, wird die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (1993 i.H.v. 12.275 DM, 1995 i.H.v. 11.316 DM, 1996 i.H.v. 9.939 DM und 1997 i.H.v. 8.577 DM) aus dem streitigen Anwesen festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuer neu zu berechnen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der 1940 geborene Kläger hatte 1987 das Hausgrundstück, T-straße 3 in L erworben, um dort seine Buchhandlung zu betreiben, die sich zuvor in anderweitig gemieteten Räumen befunden hat. Im Erdgeschoss des Hauses waren zwei Ladenflächen vorhanden, von denen ein Teil bis zum 31. Juli 1991 fremd vermietet und der übrige Teil für eigengewerbliche Zwecke des Klägers genutzt worden ist. Im Obergeschoss befand die Wohnung der ehemaligen Eigentümerin. Die Wohnung stand seit dem Kauf des Hauses leer. Zunächst wurden die gewerblichen Flächen im Erdgeschoss saniert sowie Instandhaltungsmaßnahmen am Gebäude durchgeführt. Ab dem 1. August 1991 wurde die bisher fremd vermietete Ladenfläche vom Kläger ebenfalls eigengewerblich genutzt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden vom Finanzamt M unter der Steuernummer 00 0000000 gesondert festgestellt.

In seinen Einkommensteuer-Erklärungen machte der Kläger negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezüglich der Wohnung geltend (anteilige Schuldzinsen und Grundsteuer):

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

14.085

14.721

14.100

18.396

13.619

13.380

12.706

12.107

10.243

Die Einkünfte wurden bis 1996 wie beantragt veranlagt. Nachdem auch 1997 keine Einnahmen aus der Wohnung erzielt worden sind, versagte der Beklagte die weitere Berücksichtigung der negativen Einkünfte für 1997 und erließ am 29. Juli 1999 einen dementsprechenden Bescheid. Am selben Tage änderte er die nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide 1993, 1995 und 1996 in gleicher Weise. Die hiergegen gerichteten Einsprüche vom 19. August 1999 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2002 als unbegründet zurück.

Am 29. November 2002 erhob der Kläger Klage. Er beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 29. Juli 1999, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2002, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (1993 i.H.v. 12.275 DM, 1995 i.H.v. 11.316 DM, 1996 i.H.v. 9.939 DM und 1997 i.H.v. 8.577 DM) aus dem streitigen Anwesen festzusetzen.

Zum 31. Dezember 1991 hätten die gesamten Darlehen (einschließlich derer, die zu Beginn der gewerblichen Tätigkeit aufgenommen worden seien) 482.610 DM betragen. Als jährlicher Kapitaldienst für diese Darlehen hätten insgesamt 62.541 DM aufgebracht werden müssen. Die Einkünfte des Klägers hätten – insbesondere in den Jahren 1991 und 1992 – nicht einmal ausgereicht, um den jährlichen Kapitaldienst zu bedienen. Die Fehlbeträge seien durch Darlehen von Bekannten (rd. 60.000 DM) sowie durch Erhöhung von Lieferantenverbindlichkeiten und höherer Kontokorrentschulden, die durch ein Darlehen der Hausbank i.H.v. 100.000 DM 1997 abgelöst worden seien, aufgebracht worden. Unter diesen Umständen sei es unmöglich gewesen, die Renovierungskosten der Wohnung zu finanzieren (fehlende Sicherheiten, mangelnde Kapitaldienstfähigkeit). Die Vermietungsabsicht sei nicht aufgegeben, sondern auf einen Zeitpunkt verschoben worden, in dem die Finanzierung hätte sichergestellt werden können. Durch die positive Geschäftsentwicklung ab 1995 sei der Lagerbedarf für die Buchhandlung so groß, dass die Räume im Obergeschoss als Lager genutzt worden seien. Aus diesem Grund sei dieser Gebäudeteil mit den entsprechenden Darlehen 1998 in das Betriebsvermögen überführt worden (Bl. 20 f.).

Wegen dieser Finanzsituation des Klägers könne aus dem vorübergehenden Leerstehen der Wohnung nicht auf eine fehlende Einkunftserzielungsabsicht des Klägers geschlossen werden. Der Entschluss zur Einkunftserzielung sei endgültig gefasst gewesen, was hinreichend für die steuerliche Anerkennung vorab entstandener Werbungskosten sei (BFH vom 27. Januar 1993 IX R 64/88, ...

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