Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Verständigungsregel zwischen der deutschen und franzözischen Finanzverwaltung hinsichtlich der 45-Tage-Regelung des DBA Frankreich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Grenzgängereigenschaft nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich geht nicht verloren, wenn der Arbeitnehmer an nicht mehr als 45 Arbeitstagen außerhalb der Grenzregion tätig wird.

2. Bei Berechnung dieser 45 Tage zählen solche Tage nicht mit, an denen der Arbeitnehmer nicht ganztägig abwesend ist. Die im BMF-Schreiben vom 3.4.2006, DStR 2006, 845 getroffene anders lautende Verständigungsvereinbarung bindet nicht die Gerichte.

 

Normenkette

DBA FRA Art. 13 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.11.2009; Aktenzeichen I R 84/08)

 

Tenor

Der Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 12. November 2001 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002 wird aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger streitet mit dem Beklagten um dessen Berechtigung zur Nachforderung von Lohnsteuern im Rahmen der Grenzgängerregelung nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Frankreich).

Der Kläger war in den Streitjahren 1999 bis 2002 bei der Firma X in Y, als Arbeitnehmer u.a. im Außendienst beschäftigt. Zum 1. Januar 1997 hatte er seinen Wohnsitz vom Inland (H) nach Frankreich (S) verlegt. Der Arbeitgeber hat ihn seitdem als Grenzgänger i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich von der deutschen Lohnsteuer freigestellt.

Bei einer Lohnsteueraußenprüfung bei dem Arbeitgeber des Klägers im Jahre 2001 wurde an Hand der Dienstreisebelege des Klägers festgestellt, dass dieser in den Jahren 1997 bis 2000 Dienstreisen außerhalb des Grenzgebietes von mehr als 12 Stunden durchgeführt hatte. Nach den Berechnungen des Prüfers handelte sich 1997 um 67, 1998 um 72, 1999 um 67 und 2000 um 54 Tage. Die Abrechnungen betrafen überwiegend mehrtägige Dienstreisen. Samstage und Sonntage waren bei der Aufstellung des Prüfers nicht mitgerechnet worden. Auf die entsprechenden Aufzeichnungen und Kopien der Dienstreisebelege wird verwiesen (Bl. 16-121 LStAP).

Mit Bescheid vom 12. November 2001 forderte der Beklagte die Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 1997 bis 2000 i.H. von insgesamt 193.487,96 DM vom Kläger als Steuerschuldner nach (Bl. 5 LohnStA). Am 22. November 2001 legte der Kläger gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein (Bl. 1 RbA I). Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002 (Bl. 4) wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2003 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1). Das Schreiben war an das „Finanzamt des Saarlandes, Hardenbergstraße 3, 66119 Saarbrücken” adressiert und ging am 20. Januar 2003 zuerst beim Finanzamt Saarbrücken Am Stadtgraben ein, wo es als „Irrläufer” erkannt und am selben Tag an das Ministerium für Finanzen in Saarbrücken weiter geleitet wurde. Nach Rücksprache mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am Nachmittag des 22. Januar 2003 erfolgte eine (erneute) Weiterleitung der Klageschrift an das Finanzgericht, wo sie am 22. Januar 2003 einging (Bl. 1).

Der Kläger beantragt,

den Nachforderungsbescheid vom 12. November 2001 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002 aufzuheben.

Der Kläger macht hinsichtlich des verspäteten Klageeingangs beim Finanzgericht geltend, dieser beruhe auf einem entschuldbaren Büroversehen. Sein Prozessbevollmächtigter habe einer Angestellten im Anwaltsbüro die zutreffende Adresse diktiert. Dieser Angestellten sei dann bei Fertigung des Schriftsatzes der Fehler unterlaufe, statt „Finanzgericht des Saarlandes” „Finanzamt des Saarlandes” zu schreiben. Insoweit sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Bl. 19 ff.).

In der Sache selbst macht der Kläger geltend, der Beklagte habe die 45-Tage-Regelung unrichtig angewandt. Die Berechnung der schädlichen Tage durch das Finanzamt sei unzutreffend, weil eine Vielzahl unschädlicher Dienstreisen berücksichtigt worden sei. So sei übersehen worden, dass der Kläger bei einigen Dienstreisen am selben Tag noch nach Hause (Frankreich) zurückgekehrt sei. Zu berücksichtigen sei überdies, dass der Kläger auf den Dienstreisen mehrfach erkrankt gewesen sei. Insoweit handele es sich um „unschädliche” Tage im Sinne des DBA-Frankreich.

Die Richtigkeit der Berechnungen des Finanzamtes sei auch im Übrigen nicht nachvollziehbar. So sei generell zweifelhaft, ob Dienstreisen in Drittländer den schädlichen Tagen zuzurechnen seien (Bl. 64 f.).

Bei der Beantragung der Freistellung sei der Kläger auf die Rechtslage von keiner Seite aufmerksam gemacht worden. Die 45-Tage-Regelung bei Dienstreisen sei willkürlich und verstoße gegen das Grundgesetz und Europäisches Recht (Gleichbehandlungsgebot und ...

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