Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung der für ein vorangegangenes Kalenderjahr nachgezahlten Halbwaisenrente im Rahmen der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge; Anwendbarkeit des § 11 EStG auf Bezüge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist bei den Bezügen eines Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu erfassen.

2. Halbwaisenrente, die ein Kind für das vorangegangene Kalenderjahr erhält, ist als Bezug des gesamten Kalenderjahres anzusehen, in dem es zufließt und bei der Ermittlung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur insoweit nicht zu berücksichtigen, wie die Rente auf Kürzungsmonate entfällt.

3. Das Zu- und Abflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt auch bei der Ermittlung von Bezügen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 11 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 4 Sätze 6-7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen VIII R 76/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin hat eine im Jahr 1977 geborene Tochter, die sich -erfolgreich- zur Einzelhandelskauffrau ausbilden ließ. Das Ergebnis der Abschlussprüfung wurde ihr am 26. Juni 1997 bekannt gegeben. Die Tochter der Klägerin erhielt im Streitjahr 1997 in den Monaten Januar bis Juni eine Ausbildungsvergütung in Höhe von jeweils 874 DM; im Monat Juni bezog sie außerdem noch Arbeitslohn in Höhe von 152,40 DM. Ausweislich des Rentenbescheids der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 1997 wurde der Tochter der Klägerin für die Monate März bis Juni 1997 eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 264,60 DM bewilligt; davon entfielen monatlich 19,84 DM auf Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Für die Zeit vom 17. Mai 1996 bis 28. Februar 1997 erfolgte am 23. Januar 1997 eine Nachzahlung der Rente in Höhe von 2.319,23 DM. Dieser Betrag setzt sich ausweislich der Anlage 1 zum Rentenbescheid wie folgt zusammen:

Für die Zeit

vom 17.05.1996 bis 31.05.1996

126,48 DM

abzüglich Versicherungsbeiträge

-8,72 DM

117,76 DM

117,76 DM

vom 01.06.1996 bis 30.06.1996

261,42 DM

abzüglich Versicherungsbeiträge

-18.03 DM

243,39 DM

243,39 DM

vom 01.07.1996 bis 28.02.1997

8 Monate × 264,60

2.116,80 DM

abzüglich Versicherungsbeiträge

8 Monate × 19,84

-158,72 DM

1.958,08 DM

1.958,08 DM

2.319,23 DM

Nachdem der Beklagte bereits durch den Bescheid vom 4. September 1997 die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Juli 1997 aufgehoben hatte, hob er durch den angefochtenen Bescheid vom 10. November 1998 zudem die Festsetzung ab dem Monat Januar 1997 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von DM 1.320 zurück. Der Beklagte führte an, dass die Kindeseinkünfte und Bezüge in dem Anspruchszeitraum, den Monaten Januar bis Juni 1997, den maßgeblichen Grenzbetrag von 6.000 DM überschreiten würden. Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 16. November 1998 wies der Beklagte durch die Einspruchsentscheidung vom 04. Juni 1999 zurück. Er machte geltend, dass die Tochter der Klägerin im Anspruchszeitraum Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit in Höhe von 4.645,17 DM bezogen habe. Diese setzten sich aus Einnahmen in Höhe von 5.396,40 DM, d. h. der Ausbildungsvergütung für sechs Monate in Höhe von 5.244 DM und dem Arbeitslohn in Höhe von 152,40 DM, abzüglich des – unter Berücksichtigung der Jahreseinnahmen von 14.366,69 DM ermittelten – anteiligen Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 751,23 DM zusammen. Darüber hinaus legte der Beklagte der Berechnung Bezüge in Höhe von 3.473,97 DM zugrunde. Diesen Betrag ermittelte er aus Renteneinnahmen von 3.833,97 DM abzüglich einer Kostenpauschale von 360 DM.

Die Klägerin hat am 02. Juli 1999 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die Rentennachzahlung nicht in die Berechnung der anspruchsschädlichen Einkünfte und Bezüge einbezogen werden dürfe, weil diese nicht i. S.v. § 32 Abs. 4 Satz 7 Einkommensteuergesetz auf die kindergeldbegünstigten Monate entfiele. Der Begriff des Entfallens stelle nicht auf den Zuflusszeitpunkt, sondern auf die wirtschaftliche Zurechnung ab. Danach sei die Rentennachzahlung wirtschaftlich überwiegend dem Kalenderjahr 1996 zuzurechnen.

Die Klägerin hat beantragt,

ihr abweichend von dem Bescheid vom 10. November 1998 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 04. Juni 1999 Kindergeld von Januar bis einschließlich Juni 1997 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte führt an, dass bei der Rentennachzahlung auf den Zufluss am 23. Januar 1997 abzustellen sei.

Das Gericht hatte der Klage durch Gerichtsbescheid vom 02. August 2000 stattgegeben, weil die für das Kalenderjahr 1996 erfolgte Rentennachzahlung wirtschaftlich überwiegend nicht dem Begünstigungszeitraum zugerechnet werden könne. Der Zufluss im Januar 1997 sei unerheblich. Der Beklagte hat dagegen mündliche Verhandlung beantragt. Da der Zufluss nicht nur kurze Zeit nach Jahresanfang erfolgt sei, greife seiner Ansicht nach nicht die Ausnahme des § 11 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz. Nachzahlungen für v...

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