Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründetsein einer Umsatzsteuerforderung gegen einen Istversteuerer i.S. von § 38 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Umsatzsteuerschuld ist unabhängig davon, ob der Erbringer der Leistung Ist- oder Sollversteuerer ist, begründet i.S. des § 38 InsO, sodass eine Insolvenzforderung und keine Masseforderung vorliegt, wenn die umsatzsteuerpflichtige Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurde.

2. Soweit dies dazu führt, dass die Masse die vom Leistungsempfänger entrichtete Umsatzsteuer in vollem Umfange vereinnahmt, während das FA sich mit der Quote begnügen muss, ist das in der Systematik des Umsatzsteuerrechts angelegt und hinzunehmen.

 

Normenkette

UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. b, Nr. 1. Buchst. a, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 20, 16; InsO §§ 38, 53; AO § 38

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2009; Aktenzeichen V R 64/07)

 

Tenor

Unter Änderung des Bescheides vom 09. März 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 22. Mai 2006 wird die Umsatzsteuer 2004 auf EUR ./. 538,85 festgesetzt. Unter Änderung des Bescheides vom 23. Januar 2007 wird die Umsatzsteuer 2005 auf EUR ./. 3.984,91 festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

A betrieb ein Gewerbe im Baubereich.

Am 16. August 2004 eröffnete das AG B das Insolvenzverfahren über sein Vermögen und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser führte den Betrieb des Schuldners zunächst fort, stellte ihn jedoch zum 30. November 2004 ein.

Der Schuldner hatte seit 1999 die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten entrichtet. In den Jahren 2003 und 2004 (vor Insolvenzeröffnung) erbrachte er verschiedene Leistungen, deren Entgelte er nicht mehr vereinnahmte. Der Kläger jedoch trieb die Forderungen in den Jahren 2004 (nach Insolvenzeröffnung) und 2005 teilweise ein. Die noch eingetriebenen Forderungen enthielten unter anderem die noch streitigen Umsatzsteuerbeträge von

EUR 232,74 im Jahre 2004 und

EUR 326,90 in I/ 2005.

Nach einer Betriebsprüfung setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 09. März 2006 gegen den Kläger Umsatzsteuer von

EUR – 306,11 im Jahre 2004 und

EUR – 309,75 in I/ 2005

fest. In diesen Bescheiden behandelte er die oben genannten, in den noch eingetriebenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuern als Masseverbindlichkeiten und berücksichtigte sie daher steuererhöhend. Hiergegen richtete sich der am 23. März 2006 eingegangene Einspruch, der erfolglos blieb. Gegen den Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006 richtet sich die am 22. Juni 2006 eingegangene Klage.

Am 23. Januar 2007 hat der Beklagte den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005 über EUR – 3.658,01 erlassen.

Mit Beschluss vom 18. April 2007 hat das Amtsgericht B das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A aufgehoben, mit weiterem Beschluss vom 11. Juli 2007 jedoch auf Antrag des Klägers die Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Insolvenzordnung – InsO – hinsichtlich der streitigen Umsatzsteuerbeträge angeordnet.

Der Kläger macht geltend, die genannten Umsatzsteuerforderungen seien keine Masseforderungen, sondern Insolvenzforderungen.

Insolvenzforderung sei eine Forderung gemäß § 38 InsO nicht dann, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden sei, sondern wenn zu diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt war, sie also insolvenzrechtlich „begründet” war. Eine Steuerforderung sei daher immer dann Insolvenzforderung, wenn der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (Urteil des BFH vom 05. Oktober 2004).

Der Umsatzsteuertatbestand sei in diesem Sinne verwirklicht, wenn der Unternehmer die entsprechenden Umsätze gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt habe, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Da die Vereinnahmung des Entgelts nicht Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung sei, sei die auf Lieferungen und Leistungen entfallende Umsatzsteuer dann als Insolvenzforderung zu qualifizieren, wenn die Lieferung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden sei. Daran ändere auch die spätere Vereinnahmung des Entgelts nichts.

Es handele sich daher bei den betreffenden Umsatzsteuerforderungen nur um Insolvenzforderungen, die der Beklagte zur Tabelle anzumelden habe.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 9. März 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 22. Mai 2006 Umsatzsteuer 2004 in Höhe von EUR ./. 538,85,

ferner unter Änderung des Bescheides vom 23. Januar 2007 Umsatzsteuer 2005 in Höhe von ./. 3.984,91 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Auffassung, es ...

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