Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines während des letzten Monats seines Zivildienstes bereits eine Berufsausbildung beginnenden Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Beginnt ein Kind, welches noch bis zum Ablauf eines Monats seinen Zivildienst leistet, seine Berufsausbildung bereits am 1.1. des Monats durch Besuch der Lehrveranstaltungen der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie an zwei bis drei Tagen wöchentlich jeweils abends bzw. samstags, besteht für diesen Monat kein Kindergeldanspruch, da den Eltern infolge der Unterkunfts- und Verpflegungsgestellung bzw. der finanziellen Ausgleichszahlungen an das Kind während des Zivildienstes keine wesentlichen Unterhaltsaufwendungen entstehen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 S. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.05.2002; Aktenzeichen VIII R 61/01)

 

Gründe

Die Klägerin ist die Mutter des am 11.04.1978 geborenen Kindes A…. A… war vom 01.09.1999 bis zum 30.09.2000 Zivildienstleistender und studiert daneben seit dem 01.09.1999 an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA). Lehrveranstaltungen finden an 2–3 Tagen wöchentlich von 18.00 Uhr bis 21.15 Uhr bzw. samstags von 8.00 bis 11.15 Uhr statt. Nach der Bescheinigung der VWA vom 18.11.1999 beträgt die wöchentlich erforderliche Stundenzahl für das Studium in der Vorlesungszeit einschließlich Vor- und Nacharbeit mehr als 20 Stunden. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab September 1999 ab und hielt hieran mit der Einspruchsentscheidung vom 10.01.2000 fest.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, der Sohn absolviere neben dem Zivildienst noch eine umfassende Ausbildung an der VWA zum Diplom-Betriebswirt(VWA). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs müsse die Ausbildung eine Berufstätigkeit nicht zeitlich überwiegen. Der Sohn habe gerade den Zivildienst gewählt, um sich nebenbei beruflich ausbilden zu lassen.

Die Klägerin beantragt,

Kindergeld ab dem 01.09.1999 unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1999 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10.01.2000 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Die Tatbestände des § 32 Abs. 4 EStG, nach denen ein volljähriges Kind zu berücksichtigen sei, beträfen Sachverhalte, in denen typischerweise ein Kind noch nicht in der Lage sei ohne elterlichen Unterhalt auszukommen. Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes gehörten nicht dazu, da das Kind während dieser Zeit nicht von den Eltern unterhalten werden müsse. Grundsätzlich sei es nicht möglich, neben der Ableistung eines Wehr- oder Zivildienstes eine Ausbildung zu absolvieren, so dass auch eine Ausbildung neben dem Zivildienst keinen Kindergeldanspruch begründe.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat für die Zeit, in der der Sohn seinen Zivildienst leistet, keinen Anspruch auf Kindergeld, obwohl dieser durch das Studium an der VWA eine Berufsausbildung absolviert. Zur Berufsausbildung gehören nämlich sämtliche Maßnahmen, die das für eine berufliche Tätigkeit typische Können vermitteln sollen und damit eine Erwerbstätigkeit ermöglichen. Auf den zeitlichen Umfang, d. h. eine Inanspruchnahme wie bei einer Vollzeitbeschäftigung, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut bzw. dem Begriff der Berufsausbildung, welcher einkommensteuerrechtlich einheitlich auszulegen ist, nicht an (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 32 EStG Anm. 93, 94). Zwar besteht für volljährige Kinder, die das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden, Anspruch auf Kindergeld (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz –EStG–). Der Anspruch auf Kindergeld ist jedoch nach der gesetzlichen Konzeption des § 32 Abs. 4 EStG, mangels Aufnahme in den Tatbestand, für die Zeit der Leistung des Wehr- oder Zivildienstes grundsätzlich ausgeschlossen. Hierfür hat der Gesetzgeber allein die Verlängerung des möglichen Anspruchszeitraumes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG um die Dauer der Wehr- oder Zivildienstes vorgesehen (§ 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG), um einen hierdurch möglicherweise verursachten längeren Unterhaltsbedarf des Kindes auszugleichen (vgl. Schmidt/Glanegger § 32 EStG, Rz. 45; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Anm. 150; s. auch Urteil des Finanzgerichts Münster vom 05. Juni 2000, 14 K 458/00 Kg EFG 2000, 1393).

Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass ein Kindergeldanspruch für die Zeit des Wehr- oder Zivildienstes grundsätzlich deshalb nicht besteht, weil für die Eltern in dieser Zeit keine wesentlichen Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder entstehen. Den Kindern wird entweder tatsächlich Unterkunft und Verpflegung gestellt bzw. es werden hierfür finanzielle Ausgleichzahlungen gewährt, so dass diese nicht unterhaltsbedürftig sind (vgl. auch Kanzler, a.a.O. Anm. 120 zu § 32).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–.

Die Revision wird im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Re...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge