rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Aufrechnung nach § 95 Abs. 1 InsO ist auch denn zulässig, wenn die Aufrechnungslage erst während des Insolvenzverfahrens eintritt, sofern die aufzurechnende Forderung bereits vor Verfahrenseröffnung begründet, aber noch nicht fällig oder gleichartig bzw. aufschiebend bedingt waren, es sei denn die Forderung gegen die aufgerechnet werden soll, wird später als die aufzurechnende Forderung unbedingt oder fällig.

 

Normenkette

InsO § 95 Abs. 1; AO § 251 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VII R 69/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Abrechnungsbescheid zuletzt vom 7. März 2003 betreffend einen Vorsteuervergütungsanspruch des Klägers für das erste Quartal 2000.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss vom 8. Februar 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... - im Folgenden: Gemeinschuldnerin -. Bereits während der vorläufigen Insolvenzverwaltung hielt er den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin aufrecht und setzte ihn bis zur Veräußerung des Unternehmens zum 1. März 2000 fort.

Die Gemeinschuldnerin war zur Abgabe vierteljährlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet. Der Kläger reichte Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar (Zeitraum ab 8. Februar) und März 2000 ein, mit denen er für Februar ausschließlich Vorsteuerbeträge in Höhe von 77.787,21 DM sowie für März steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 78.493,00 DM (Umsatzsteuer 12.588,99 DM) und Vorsteuerbeträge von 46.631,70 DM erklärte. Ausgehend von diesen Angaben setzte der Beklagte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das erste Quartal 2000 mit Bescheid vom 24. August 2001 auf ./.111.861,00 DM fest. Zur Erfüllung dieses Anspruchs zahlte er einen Teilbetrag von 53.137,33 DM an den Kläger aus und rechnete mit Erklärung vom 23. Oktober 2001 im Umfang des Restbetrags (58.723,67 DM) mit der Forderung gegen die Gemeinschuldnerin aus der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das dritte Quartal 1999, fällig am 4. Februar 2000, gegen den Erstattungsanspruch des Klägers "aus Vorsteuern vor Insolvenzeröffnung zur Steuer-Nr. ... auf. Nachdem der Kläger dagegen Einwendungen erhoben hatte, weil das Guthaben erst nach der Verfahrenseröffnung entstanden sei und die Aufrechnungserklärung daher gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung -InsO- verstoße, erließ der Beklagte am 18. Dezember 2001 einen Abrechnungsbescheid. Er stellte darin fest, dass das Guthaben Umsatzsteuer für das erste Quartal 2000 in Höhe von 58.723,67 DM durch Aufrechnung erloschen sei. Der dagegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, die Unwirksamkeit der Aufrechnung und einen Zahlungsanspruch zu seinen Gunsten durch Abrechnungsbescheid feststellen zu lassen, weiter. Er hält daran fest, dass der Aufrechnung das Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen stehe, da der Beklagte als Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO erst nach der Verfahrenseröffnung "etwas schuldig geworden" sei. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-, die bei der Auslegung der Vorgängervorschrift des § 96 InsO, § 55 Konkursordnung -KO-, den Begriff des "etwas schuldig werden" als "begründet sein" im Sinne von § 3 KO verstanden haben, sei unzutreffend. Vielmehr komme es für die Frage, wann der Fiskus etwas zur Masse schuldig werde, weder auf auf die wirtschaftliche Begründung der Forderung noch auf deren Entstehen, sondern allein auf den Zeitpunkt der Festsetzung an. Denn selbst im Zeitpunkt des formalen Entstehens eines Erstattungsanspruchs nach § 38 Abgabenordnung -AO- habe der Fiskus regelmäßig noch keine Kenntnis von etwaigen. Steuerüberzahlungen und damit aufzurechnenden Verbindlichkeiten, so dass mangels schutzwürdigen Vertrauens keine Bevorzugung und damit eine Ungleichbehandlung in der Insolvenz gerechtfertigt sei. Soweit die zivilrechtliche Rechtsprechung es genügen lasse, dass der aufrechenbare Anspruch in seinem Kern entstanden sei, beruhe dies auf § 54 KO, dessen Regelungen jedoch nicht in die InsO übernommen worden seien. Jedenfalls nach dem Inkrafttreten der InsO könne die ehemalige Rechtsprechung des BFH daher keinen Bestand haben.

Im Übrigen ständen dem Vorgehen des Beklagten die umsatzsteuerlichen Saldierungsregeln entgegen. Der Vorsteuervergütungsanspruch für das erste Quartal 2000 resultiere aus der Gesamtsumme der geltend gemachten Vorsteuerbeträge nach Abzug der entstandenen Umsatzsteuer. Wären einzelne Vorsteuerbeträge zum Zwecke der Aufrechnung insoweit ausscheidbar, wäre jedenfalls von den aufrechenbaren Beträgen die Umsatzsteuer abzuziehen, so dass bei einem Gesamtaufrechnungspotential von 58.723,76 DM nur noch ein aufrechenbarer Rest von 46.164,79 DM verbliebe.

Schließlich meint der Kläger, dass der Beklagte auch deshalb erst nach Insolvenzeröffnung etwas zur Masse schuldig geworden sei, weil der Vergütungsanspru...

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