Entscheidungsstichwort (Thema)

Hörgeräteakustiker: Bildung einer Rückstellung für „Nachbetreuungsaufwand“

 

Leitsatz (redaktionell)

Ergibt sich aus den zwischen einem Hörgeräte-Akustiker und den Krankenkassen geschlossenen Verträgen, daß dieser zur Nachbetreuung hinsichtlich der verkauften Hörgeräte bereits im Jahr des Vertragsabschlusses verpflichtet ist, so besteht hinsichtlich des Nachbetreuungsaufwandes Passivierungspflicht.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; KStG § 47 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen I R 96/00)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin, wegen Ausübung des Gewerbes eines Hörgeräte-Akustikers für damit zusammenhängende künftige „Nachbetreuungsleistungen“ eine Rückstellung bilden zu dürfen.

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt das Gewerbe eines Hörgeräte-Akustikers mit mehreren Filialen im Berliner Umland. Sie ist Mitglied der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker, die mit den Bundesverbänden der Orts-, Betriebs-, Innungs- und landwirtschaftlichen Kassen einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Hörhilfen an Anspruchsberechtigte der Krankenkassen abgeschlossen hat. Nach dem Rahmenvertrag wird die Vergütung durch die jeweilige Krankenkasse nach einer Höchstpreisliste für die alten und die neuen Bundesländer unmittelbar gegenüber der Klägerin vorgenommen. Ein Vertragsverhältnis entsteht ebenfalls nur zwischen der Klägerin und der betreffenden Krankenkasse. Mit dem jeweiligen Preis sind nicht nur das Entgelt für das Gerät, sondern auch die Garantieleistungen für 1 Jahr sowie sog. „Nachbetreuungsleistungen“ für einen Zeitraum von 6 Jahren abgegolten. „Normale“ Reparaturen fallen nicht unter den Begriff der Nachbetreuungsleistungen und werden von der Krankenkasse bei entsprechendem Anfall zusätzlich vergütet. Unter den Begriff „Nachbetreuung“ fallen die folgenden Leistungen:

a) Einweisung des Patienten in den sicheren und korrekten Gebrauch des Hörgerätes; bei alten bzw. kranken Menschen auch mehrfach. Darüber hinaus die jederzeitige Hilfestellung oder erneute Einweisung bis zum sicheren Gebrauch des Hörgerätes.

b) Analyse der sich im Laufe der Zeit ergebenden anatomischen Veränderungen des Ohres (Gehörverengungen, -erweiterungen und -verkrümmungen durch Gewichtzunahme, Gewichtsabnahme oder Krankheiten) im Rahmen von Funktionsprüfungen.

c) Anpassung des Hörgerätes an das akustische Umfeld des Kunden bei Umzug oder Änderung der sonstigen Gewohnheiten.

d) Diagnose hinsichtlich technischer Veränderungen am Hörgerät selbst und Neueinstellung bei Fehlbedienungen.

e) Neueinstellung des Hörgerätes und Neueinweisung des Patienten nach einer Reparatur des Hörgerätes.

f) Fachliche Beratung und Dokumentation während der Gebrauchszeit und turnusmäßige Überprüfung der Hörgeräte.

Die Nachbetreuungsleistungen waren in einem festen Turnus (viermal pro Jahr) für die Dauer der vereinbarten 6 Jahre zu erbringen.

Im wesentlichen inhaltsgleiche Nachbetreuungsaufgaben ergaben sich aus den „Bedingungen für die Belieferung der Orthopädischen Versorgungsstelle Berlin mit Hörhilfen (Stand: Januar 1993)“, nach denen ebenfalls nicht der betreffende Patient, sondern die Orthopädische Versorgungsstelle der Auftraggeber des bestellten Hörgerätes war.

Wegen der o. g. Nachbetreuungsleistungen bildete die Klägerin in ihren Bilanzen ab 1987 eine Rückstellung, die sich zum 31. Dezember 1994 auf 1.815.000 DM belief. Ausgangspunkt für die jährlichen Rückstellungszuführungen war ein kalkulierter Nachbetreuungsaufwand von 180 DM pro verkauftes Hörgerät (= 18 v. H. des durchschnittlichen Verkaufspreises von 1.000 DM). Die pro Gerät gebildete Rückstellung wurde auf 5 Jahre verteilt mit jeweils 20 v. H. aufgelöst. Im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - kürzte die Klägerin die Rückstellung zum 31. Dezember 1994 um ein Drittel von 2.722.068 DM auf 1.815.000 DM. Die Rückstellung ist der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig.

Der Beklagte führte die Veranlagung zunächst erklärungsgemäß durch. Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat er sodann die Auffassung, daß die Rückstellung nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFHE 170, 149 -, Bundessteuerblatt - BStBl - 1994, 158 steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Februar 1994 (BStBl I 1994, 140), wonach solche Rückstellungen auf drei Jahre verteilt aufzulösen seien, kürzte er die Rückstellung um ein Drittel, also um 605.000 DM. Dementsprechend erließ er unter dem 7. und 10. Oktober 1996 Änderungsbescheide, gegen die die Klägerin Einsprüche einlegte. Die Einsprüche blieben erfolglos und wurden vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1997 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Kürzung der Rückstellung. Sie sei handelsrechtlich zur Bildung der fraglichen Rückstellun...

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