Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungen des Inhabers von Urheberrechten an Verletzer führen zu nicht steuerbarem Schadensersatz. kein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der hierfür beauftragen Rechtsanwaltskanzlei

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 16.1.2003, V R 92/01, BStBl II 2003 S. 732), nach der die Abmahnungen von sog. Abmahnvereinen eine Leistung gegen Entgelt an die abgemahnten Unternehmer darstellen, kann nicht auf wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von am Markt tätigen Unternehmern übertragen werden.

2. Mahnt ein Unternehmer, der Inhaber von Urheberrechten ist, die Verletzer der Urheberrechte durch eine Rechtsanwaltskanzlei unter Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz gem. § 97 UrhG schriftlich ab und fordert sie auf, im Wege der Lizenzanalogie eine fiktive Lizenzgebühr als Lizenzentschädigung an den Unternehmer zu zahlen, und haben die Verletzer überwiegend neben einer strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Verpflichtungserklärung des Inhalts unterschrieben, an den Einzelunternehmer für die unberechtigte Nutzung des geschützten Werks eine Lizenzentschädigung zu zahlen, so stellen die gezahlten Lizenzentschädigungen umsatzsteuerlich nicht steuerbaren Schadensersatz dar.

3. Aus der Nichtsteuerbarkeit der Vergleichszahlungen folgt der Ausschluss des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der mit der Durchführung des Mahnverfahrens beauftragten Anwaltskanzlei.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 9, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; UrhG §§ 19a, 97, 101

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.02.2019; Aktenzeichen XI R 1/17)

 

Tenor

Die Umsatzsteuer 2010 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2010 vom 23.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.03.2015 um 3.126,21 EUR niedriger festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob es sich bei von der Klägerin im Streitjahr 2010 vereinnahmten Zahlungen um nicht umsatzsteuerbaren Schadensersatz handelt, und wenn dies zu bejahen ist, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den anwaltlichen Dienstleistungen zusteht, welche sie zur Geltendmachung der Forderungen in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin ist eine Tonträgerherstellerin und Inhaberin von exklusiven Verwertungsrechten an diversen Tonaufnahmen. Insbesondere ist sie Inhaberin des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrheberrechtsgesetzUrhG –. Sie beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei, gegen die rechtswidrige Verbreitung der Tonaufnahmen im Internet vorzugehen und in ihrem Namen gegen die Rechtsverletzter Unterlassungs- und Ersatzansprüche geltend zu machen. Hierzu liegt dem Senat ein bestimmte Tonaufnahmen betreffender Vertrag vom 19.10.2009 (Bl. 50 der Gerichtsakte – GA –) vor, dem nach Angaben der Klägerin auch die weiteren, andere Tonaufnahmen betreffenden Vereinbarungen mit der Kanzlei inhaltlich entsprechen. Darin heißt es, dass die Kanzlei zur Feststellung und beweissicheren Dokumentation von Rechtsverletzungen auf eigene Kosten externe Dienstleister beauftragen dürfe und dass die Kanzlei bevollmächtigt werde, im Namen der Klägerin Auskunftsansprüche gegen Provider gem. § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG durchzusetzen und sodann im Namen der Klägerin Unterlassungs- und Ersatzansprüche gegen Rechtsverletzer außergerichtlich geltend zu machen und Vergleichsvereinbarungen mit Rechtsverletzern abzuschließen. Alle Ersatzzahlungen (Vollzahlungen, Ratenzahlungen, Teilzahlungen, Vergleichszahlungen etc.) von den Rechtsverletzern sollten auf von der Kanzlei als Fremdgeldkonten geführten Konten vereinnahmt werden. In einer separaten Honorarvereinbarung vom 19.10.2009 (Bl. 54 GA) ist bestimmt, dass der Kanzlei zur Bezahlung sämtlicher zur Durchführung des Auftrags erbrachten Tätigkeiten sowie zur Bezahlung der von der Kanzlei zu stellenden technischen, personellen und sonstigen Infrastruktur 75 % aller Zahlungen von Rechtsverletzern (inklusive Vergleichszahlungen und Ratenzahlungen) zustünden, dass die Kanzlei davon alle Kosten zu bestreiten habe, dass sich dieses Honorar zzgl. Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlichen Höhe verstehe und monatlich in Rechnung gestellt werde. Weiter heißt es in der Honorarvereinbarung, der Klägerin sei bekannt, dass es sich bei den Zahlungen um Schadensersatzzahlungen handele. Insgesamt gingen auf dem Fremdgeldkonto im Streitjahr Zahlungen von Rechtsverletzern i. H. v. 416.245,85 EUR ein.

In den Musterschreiben der Kanzlei an die Rechtsverletzer (Beispiel Schreiben an B… vom 12.01.2010, in dem nicht foliierten Halbhefter Handakte des Prüfers) heißt es auszugsweise: „… 3. Aufgrund der festgestellten Rechtsverletzung … sind Sie gemäß § 97 Abs. 1 UrhG zur Unterlassung verpflichtet. … Wir fordern Sie daher auf, die betreffende Datei unverzüglich … zu entfernen sowie die in der Anlage beigefügte Unterlassungserklärung bis spätestens XX.XX.XXXX an unsere Kanzlei ...

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