Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeugsteuerbefreite Krankenbeförderung z. B. von Dialysepatienten bei ärztlicher Verordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Speziell für den Rollstuhl- und Liegendtransport umgebaute Fahrzeuge, mit denen aufgrund ärztlicher Verordnung Kranke zur Behandlung z. B. von Dialyse, zur onkologischen Chemotherapie und zur Strahlentherapie befördert werden, sind auch dann nach § 3 Nr. 5 KraftStG steuerfrei, wenn die transportierten Personen während der Fahrt nicht behandlungsbedürftig sind und auch nicht behandelt werden, wenn es sich also nicht um eine sogenannte Rettungsfahrt oder einen Krankentransport im Sinne der §§ 5, 6 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGV V -Krankentransport-Richtlinie handelt und die Fahrzeuge nicht zu den sogenannten Krankentransportwagen mit besonderer Ausstattung nach DIN EN 789 gehören.

2. Die Tatsache, dass es sich bei den beförderten Personen regelmäßig um Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und damit um Menschen mit Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX handelt, steht der Einstufung als Krankentransportfahrten nicht entgegen.

3. Der Begriff der Krankenbeförderung setzt voraus, dass kranke Menschen befördert werden, wobei unter Krankheit ein anomaler körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand zu verstehen ist. Hierzu ist kein dringender Soforteinsatz erforderlich, vielmehr müssen die beförderten Personen lediglich behandlungsbedürftig sein und die Beförderung muss mit der Behandlung im Zusammenhang stehen (Anschluss an BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 5 Sätze 1-3; SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2020; Aktenzeichen IV R 41/19)

 

Tenor

Die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, … vom 28. Juli 2016,

1. August 2016, 25. August 2016 bzw. 29. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19. Dezember 2016 bzw. 20. Dezember 2016 werden unter Gewährung einer Steuerbefreiung für diese Fahrzeuge aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Unternehmensgegenstand der Klägerin sind Fahrdienstleistungen für Personen, die aufgrund Alter, Krankheit oder Behinderung diese spezielle Transportleistung benötigen. Die Stadtverwaltung B… hat der Klägerin mit Urkunde vom 8. August 2016 die Genehmigung für den Verkehr mit Mietwagen nach § 49 BefG erteilt. Die Klägerin ist Halterin folgender Fahrzeuge:

Amtliches Kennzeichen

Hersteller

Typ

Hubraum

C…

1968

D…

1956

D…

1997

D…

1956

D…

2287

D…

1997

D…

1997

D…

2198

D…

1997

D…

1997

D…

1997

Die Fahrzeuge verfügen jeweils über eine Auffahrtrampe im Heck, Rollstuhlverankerungspunkte und einen Liegeplatz.

Der Beklagte setzte mit Bescheiden für die oben genannten Fahrzeuge die Kraftfahrzeugsteuer unter Anwendung der Steuersätze für Personenkraftwagen nach Hubraum, Antriebsart, Kohlendioxidemission und Emissionsklasse fest. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, stellte einen Antrag auf Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG und legte Fotografien der Fahrzeuge sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung vor.

Die Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 20. Dezember 2016 als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, die Steuerbefreiung setze eine ausschließliche Verwendung des Fahrzeugs zu dringenden Soforteinsätzen voraus. Es müsse sich um Situationen handeln, in denen unmittelbar Gefahr für Leib und Leben bestehe. Insofern seien sogenannte gewerbliche Krankenfahrten, bei denen keine fachgerechte Betreuung der erkrankten Personen während der Fahrt notwendig sei, nicht begünstigt. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass mit den Fahrzeugen ausschließlich behinderte Personen befördert werden. Die Fahrzeuge der Klägerin seien äußerlich gekennzeichnet und zur Beförderung von Personen im Rollstuhl geeignet. Eine sonstige medizinische Ausrüstung gebe es nicht, medizinisch geschultes Personal fahre nicht mit.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, bei den Fahrzeugen handle es sich um solche, die speziell für den Rollstuhl- und Liegendtransport umgebaut worden seien. Die Auffassung, die Steuerbefreiung setze eine ausschließliche Verwendung zu dringenden Soforteinsätzen voraus, sei falsch. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine medizinischfachliche Betreuung während der Fahrt nicht erforderlich. Maßgebend sei allein, dass die beförderte Person behandlungsbedürftig sei und die Beförde...

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