rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der abgewickelten Kanzlei verpflichtet. Adressierung eines an den Kanzeiabwickler gerichteten Umsatzsteuerbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wer gemäß § 55 BRAO als Abwickler der Kanzlei eines ehemaligen Rechtsanwalts bestellt ist, ist Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO bezogen auf das Kanzleivermögen und hat die steuerlichen Pflichten des ehemaligen Rechtsanwalts gemäß § 34 Abs. 1 AO bezogen auf das verwaltete Vermögen (die abzuwickelnde Kanzlei) und auf die Zeit der Bestellung als Kanzleiabwickler zu erfüllen (Anschluss an FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.1.2013, 7 K 7141/09, EFG 2013 S. 660).

2. Ein die abzuwickelnde Kanzlei betreffender Umsatzsteuerbescheid, der an den Abwickler unter seiner Kanzleiadresse „als Kanzleiabwickler” adressiert ist und in dem es im Bescheidkopf handschriftlich heißt „Dieser Bescheid ergeht an Sie als Abwickler i. S. v. § 55 BRAO der Kanzlei der ehemaligen Rechtsanwältin Frau …” und maschinenschriftlich „für Frau …”, ist nicht inhaltlich unbestimmt und daher nicht nichtig.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, 3, § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2, § 125 Abs. 1; BRAO § 55 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.04.2020; Aktenzeichen XI R 18/19)

 

Tenor

Die Umsatzsteuerbescheide 2014 und 2015 vom 30.06.2016 und der Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 01.03.2018, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2014 um 579,79 EUR, die Umsatzsteuer 2015 um 225,31 EUR und die Umsatzsteuer 2016 um 98,59 EUR niedriger festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 77 % dem Kläger und zu 23 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Umsatzsteuerbescheide 2014 bis 2016. Streitig ist, ob gegen den Kläger als Kanzleiabwickler gem. § 55 Abs. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO – Umsatzsteuer wegen der Umsätze aus der Abwicklungstätigkeit festzusetzen war, oder ob die Festsetzung gegen die Kanzleiinhaberin hätte erfolgen müssen.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Vom 02.12.2013 bis zum 12.04.2018 war der Kläger von der Rechtsanwaltskammer B… zum Abwickler der Kanzlei der ehemaligen Rechtsanwältin C… (nunmehr D…) in E… bestellt (vgl. die Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom 02.12.2013, 08.07.2016 und 12.04.2018, im Vorhefter der nicht paginierten Umsatzsteuerakte – USt –). Frau C… hatte zum 07.10.2013 ihre selbständige Tätigkeit eingestellt und war ab Dezember 2013 als Arbeitnehmerin tätig.

Mit zwei Schreiben vom 23.07.2015 (im Abschnitt „2013/2014” der Akte USt) teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf ein Urteil des hiesigen Senats vom 17.01.2013 (7 K 7141/09, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2013, 660) mit, er sei verpflichtet, als Abwickler für die Kanzlei C… Umsatzsteuererklärungen und Einnahmenüberschussrechnungen abzugeben, und forderte ihn auf, solche für den Zeitraum vom 02.12.2013 bis 31.12.2013 und für das Jahr 2014 bis zum 28.08.2015 einzureichen.

Der Kläger erwiderte (Schreiben vom 05.08.2015, im Abschnitt „2014/2015” der Akte USt), er sei als Kanzleiabwickler der Kanzlei der ehemaligen Rechtsanwältin C… nicht berechtigt und verpflichtet, die dortigen steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Der Beklagte möge sich an Frau C… wenden. Er sei aber bereit, auf entsprechende Nachfrage die Erträgnisse aus den laufenden Akten fernmündlich mitzuteilen.

Nachdem der Beklagte bei seiner Auffassung geblieben war und den Kläger auch zur Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab 2015 aufgefordert hatte (Schreiben vom 08.03.2016, im Abschnitt „2014/2015” der Akte USt), führte der Kläger ergänzend aus (Schreiben vom 15.03.2016 und vom 15.04.2016, im Abschnitt „2014/2015” der Akte USt), die Auffassung des hiesigen Senats in dem vom Beklagten angeführten Urteil vom 17.01.2013 (7 K 7141/09, EFG 2013, 660), wonach der Kanzleiabwickler nach § 55 BRAO Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AbgabenordnungAO – betreffend das Kanzleivermögen der abzuwickelnden Anwaltskanzlei sei, sei evident falsch. Der Abwickler nach § 55 BRAO habe lediglich die Aufgabe, schwebende Angelegenheiten abzuschließen, also die Mandatsverhältnisse. Anhängige Rechtsstreitigkeiten seien im Interesse des jeweiligen Mandanten möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten zu Ende zu führen. Dazu habe er lediglich die Akten der von der abzuwickelnden Kanzlei bearbeiteten Mandate zu übernehmen und abzuschließen. Mit dem Kanzleivermögen oder den sonstigen Sachwerten der abzuwickelnden Kanzlei habe der Abwickler nichts zu tun....

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