rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit einer früheren Organgesellschaft als Voraussetzung für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs der Organgesellschaft im Umsatzsteuerbescheid des Organträgers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Allein die Stellung eines Insolvenzantrags ist noch nicht Anlass für die Annahme von Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Allerdings kann auch schon vorher die Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige zahlungsunfähig ist.

2. Nach der insolvenzrechtlichen Rspr. liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, was i. d. R. dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dabei ist eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten regelmäßig unschädlich, es sei denn, es ist abzusehen, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Zur Feststellung dieser Kriterien ist ein Finanzplan aufzustellen, wobei gestundete Verbindlichkeiten außer Betracht bleiben.

3. Eine Zahlungseinstellung i. S. d. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO wird bejaht, wenn sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seinen fälligen, eingeforderten Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für die Annahme einer Zahlungseinstellung aus, auch wenn noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Der Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, wenn diese für mehr als einen Monat nicht gezahlt wurden.

4. Weitere Anzeichen für eine Zahlungseinstellung sind die Nichtzahlung von Versicherungsprämien, Betriebssteuern, Energiekosten, die häufige Hinnahme von Pfändungen oder Wechselprotesten sowie die Aufnahme von Sanierungsbemühungen. Für die Abgrenzung zwischen einer bloßen Zahlungsstockung und der Zahlungseinstellung ist wesentlich, dass die Fälligkeitstermine grundsätzlich nicht um mehr als zwei bis drei Wochen überschritten werden, weil innerhalb dieser Frist üblicherweise ein zahlungsfähiger Unternehmer die nötigen Fremdmittel mobilisieren kann.

5. Auch bei zahlungsfähigen Schuldnern ist ein Entgelt i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Insoweit ist ein Überschreiten des Zahlungsziels um das zwei- bis dreifache der Zahlungsfrist, mindestens um mehr als 6 Monate, als Indiz für eine Uneinbringlichkeit anzusehen (Anschluss an FG Brandenburg .m 9.8.2005, 1 K 2448/02); darauf, ob und inwieweit die Zahlungsverzögerungen auf Sicherungseinbehalten beruhten, kommt es nicht an.

 

Normenkette

UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1, § 2 Abs. 2; InsO § 17 Abs. 2 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Umsatzsteuer 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2006 vom 06.04.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.2013 auf -90.123,20 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob während des Bestehens einer umsatzsteuerlichen Organschaft Vorsteuer einer Organgesellschaft gemäß § 17 UmsatzsteuergesetzUStG – zu berichtigen ist.

Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, deren Gesellschafter die B. GmbH als Komplementärin und die Herren C. mit einer anteiligen Einlage von 51 % und D. mit einer anteiligen Einlage von 49 % als Kommanditisten waren. C. und D. waren allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer der B. GmbH.

Bereits seit dem 02.03.2000 bestand eine E. GmbH, deren allein vertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer C. (mit einer anteiligen Einlage von 51 %) und D. (mit einer anteiligen Einlage von 49 %) waren. Diese betrieb die Planung, Konstruktion, Entwicklung, Berechnung sowie die Herstellung und Montage von Metallkonstruktionen sowie den Handel mit den dazu gehörenden Gegenständen.

Aufgrund eines Kaufvertrags vom 06.12.2004 erwarb die Klägerin das Grundstück F.-Str. in G., das sie an die E. GmbH vermietete.

Am 29.09.2006 änderte die Gesellschafterversammlung der Klägerin deren Gesellschaftsvertrag dahingehend, dass nunmehr Beschlüsse der Einstimm...

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