Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzugsberechtigung des Berufsverbands einer Wirtschaftsbranche in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Leistungsaustausch hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Abgrenzung eines unternehmerischen von einem nichtunternehmerischen Bereich ist allein darauf abzustellen, ob und inwieweit vom Steuerpflichtigen entgeltliche Lieferungen oder Dienstleistungen erbracht werden oder ernsthaft beabsichtigt sind.

2. Der Berufsverband einer Wirtschaftsbranche in der Rechtsform eines nicht gemeinnützigen eingetragenen Vereins ist Unternehmer und zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er mit seinem sich an alle Mitglieder richtenden Leistungsangebot die Voraussetzungen eines steuerbaren Leistungsaustauschs erfüllt und in den gegenüber seinen Mitgliedern erlassenen Beitragsrechnungen Umsatzsteuer gesondert ausweist.

3. Entscheidend für die Annahme entgeltlicher Leistungen ist, dass der Berufsverband seinen Mitgliedern im Rahmen deren freiwilliger Mitgliedschaft als Gegenleistung für ihre Mitgliedsbeiträge die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistungsangebote eröffnet.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1; EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2018; Aktenzeichen V R 45/17)

 

Tenor

Unter Änderung des Bescheids vom 09.08.2017 wird die Umsatzsteuer für Juni 2014 auf … EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abzuwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig. Gegen das Urteil wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger im Rahmen der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juni 2014 der Vorsteuerabzug in vollem Umfang zusteht, weil er, wie er geltend macht, ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerbare Leistungen gegenüber seinen Mitgliedern für deren Mitgliederbeiträge erbringe.

Der Kläger ist der Berufsverband der … [Wirtschaftsbranche]. Er wurde im Jahr … gegründet …. Der Kläger hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins – e. V. – mit Sitz in B. Er unterhält … Geschäftsstellen, u.a. in …. Mit der Aufnahme seiner Tätigkeit ging der Kläger davon aus, vollständig unternehmerisch tätig zu sein.

Die Mitglieder des Klägers sind vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen und Verbände der … [Wirtschaftsbranche]. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Eine Mitgliedschaft entbindet nicht von Pflichtmitgliedschaften in Berufskammern, z. B. der IHK.

Nach … seiner Satzung (beschlossen in der Mitgliederversammlung vom …) ist der Kläger die Interessenvertretung der … [Wirtschaftsbranche] auf Bundesebene und in … internationalen Organisationen …. Er hat die Aufgabe, seine Mitglieder in … politischen sowie fachlichen Fragen … zu vertreten und bei ihren wirtschaftlichen Zielen zu unterstützen, soweit sich diese nicht auf den Bereich eines angeschlossenen Landesverbandes beschränken. Der Kläger … führt unter seinen Mitgliedern und mit anderen Organisationen der … [Wirtschaftsbranche] fortlaufend einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch durch. Der Kläger verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Interessen. Er vertritt keine Individual- oder Mehrheitsinteressen einzelner oder mehrerer Mitglieder, die nicht mit den Interessen der gesamten … [Wirtschaftsbranche] im Einklang stehen. Insbesondere ist es ihm untersagt, die Interessen eines oder mehrerer Mitglieder gegenüber einem Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar zu vertreten bzw. durchzusetzen. Ziel der Verbandsarbeit des Klägers ist nach … der Satzung die Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen der … [Wirtschaftsbranche] in Deutschland.

Die einzelnen Handlungsfelder des Klägers sind im Anhang … zur Satzung festgeschrieben. Danach verfolgt der Kläger … [Lobbyarbeit für die Wirtschaftsbranche] …, aktive Mitarbeit in Prozessen zur Gestaltung von Gesetzen …, Fortbildungsveranstaltungen …, … [Öffentlichkeitsarbeit für die Wirtschaftsbranche] ….

Ordentliche Mitglieder des Klägers können die Unternehmen (juristische und natürliche Personen) der … [Wirtschaftsbranche] sowie Wirtschafts-, Arbeitgeber- und Fachverbände … auf Bundeslandebene … werden. … Jedes Mitglied hat nach … der Satzung das Recht zur ordentlichen Kündigung.

Die Finanzierung des Klägers erfolgt nach … der Satzung durch Mitgliedsbeiträge, zu deren Zahlung die Mitglieder … entsprechend der Beitragsordnung verpflichtet sind. Nach der … Beitragsordnung verstehen sich die Mitgliedsbeiträge netto und werden zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Die Mitgliedsbeiträge … errechnen sich nach den wirtscha...

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